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rocky-beach.com
Das André Marx Special
+++ Interview mit André Marx im Mai 2025 +++


Zu Beginn dieses Jahres erreichte uns ein Hilferuf: jemand hatte soeben die aktuelle Folge des Detektivkollegen-Podcasts gehört und war nun völlig konsterniert, denn dort war zu erfahren, André Marx werde aufhören und nichts mehr für die drei ??? schreiben, ob das denn stimmen könne?! Nach erster Schockstarre und hastigen Recherchen stellte sich heraus, dass André dem GEEK!-Magazin für dessen Dezember-Ausgabe zum Karpatenhund-Kinofilm ein Interview gegeben und hierbei in der Tat erklärt hatte: "... und der rote Büffel ist mein letzter Fall und mein Abschied von den Drei ???. Das habe ich schon vor einiger Zeit entschieden und in diesem Wissen auch dieses letzte Buch geschrieben. Danach kommt von mir nur noch das Filmbuch zur Toteninsel raus, und das wars dann." Diese fast schon beiläufige Information war unmittelbar vor Weihnachten nicht durchgedrungen, allein der Detektivkollegen-Podcast hatte es aufmerksam registriert. Zwar wissen dank Andrés Bestätigung und nach einigen Podcast-Interviews inzwischen viele, dass mit Die drei ??? und der rote Büffel seine letzte reguläre Folge erschienen ist. Doch während der zweite Kinofilm und andere zugleich oder demnächst publizierte Geschichten - der Fall zum 150. Geburtstag von Thomas Mann, die Nacherzählung eines fünfzig Jahre alten Exposés, die zweite dystopische Graphic Novel und ein auf die Bestsellerlisten schielender Roman für Erwachsene - durch Feuilletons, Agenturmeldungen, Nachrichtenportale und Boulevardblätter geistern, grast der rote Büffel eher am Rande und im Stillen: dabei verabschiedet sich mit André Marx jener Autor, dem die drei ??? in den vergangenen Jahrzehnten am allermeisten zu verdanken haben ...

Lieber André, als dein erstes Die drei ???-Buch Poltergeist erschien, war das Gespensterschloss und damit die gesamte Serie in Deutschland gerade mal 29 Jahre alt. Wenn das Buch zum Toteninsel-Kinofilm als dein voraussichtlich letztes Werk erscheinen wird, wird Poltergeist 29 Jahre her sein ...
So habe ich das noch gar nicht betrachtet.
Viele schätzen dich als DEN Autoren der Neuzeit, dem die Gratwanderung gelungen ist, die drei ??? zurück zu ihren Ursprüngen zu lenken, sie aber weiterhin behutsam zu modernisieren - so konnte die Serie für ihre eigentliche Zielgruppe attraktiv und relevant bleiben, ohne die älter gewordenen Fans der Bücher und Hörspiele zu verprellen, zu denen du ja schließlich auch gehörst. Haben dich die Reaktionen auf die Ankündigung deines Abschieds da noch überrascht?
Ich hatte Angst vor der Ankündigung. Das interessiert jetzt entweder niemanden, dachte ich, oder ganz viele. Beides fand ich in der Vorstellung schwer auszuhalten. In der Realität war es dann zum Glück viel schöner als erwartet. Es hat viele Menschen interessiert und die Rückmeldungen, die ich mitbekommen habe, waren überwältigend positiv. Insofern: Ja, ich war überrascht von der Anzahl und vor allem der Intensität der Reaktionen. Und ich bin sehr dankbar dafür.
1997 hast du bereits in einem frühen Interview berichtet, wie schwer es sei, etwas Neues zu finden, das es bei den drei ??? noch nicht gab - seitdem ist in den drei Jahrzehnten allein die reguläre Reihe um mehr als 150 Folgen angewachsen, Sonderbände nicht mitgerechnet, von den drei ??? Kids mal ganz zu schweigen. Den Variationen dürfte auch in den nächsten drei Jahrzehnten nicht die Puste ausgehen. Aber für dich ist die Luft raus und die drei ??? müssen in ihrem Hamsterrad nun ohne dich auskommen?
Müssen sie. Spannend, dass ich das schon 1997 gesagt habe. Rückblickend kommt es mir so vor, als hätte ich in den ersten Jahren kein Problem mit frischen Ideen gehabt. Aber anscheinend ist das ein roter Faden, der sich durch meine Autorenlaufbahn zieht.
Im Frühjahr 2019 hast du im Podcast Rescherschen und Arschiv einmal pragmatisch zu Protokoll gegeben, die drei ??? seien dein Job, mit dem du dein Geld verdienst - da wäre es "sehr dämlich" und "bescheuert", würdest du als Freiberufler "etwas so sicheres" wie diese beständige Serie aufgeben. Möchtest du deinem sechs Jahre jüngeren Ich etwas zurufen?
Nein. Das war damals meine Wahrnehmung, daran war nichts falsch, aber sie hat sich im Laufe der folgenden Jahre geändert. Aus rein pragmatischer Sicht ist es bestimmt immer noch dämlich, bei den drei ??? aufzuhören. Aber wenn es nun einmal keinen Spaß mehr macht? Die Sicherheit kann die mangelnde Freude nicht ausgleichen. Also ist es Zeit zu gehen.
Dein Abschied ist seit langem der erste tiefe Einschnitt in der Editionsgeschichte der drei ??? - wir können nicht umhin, dies als Menetekel zu begreifen. Oliver, Jens und Andreas werden immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie lange sie noch die jugendlichen Detektive mimen wollen. Anfangs genannte Altersgrenzen spielen längst keine Rolle mehr, aber sie haben über die Jahre und Jahrzehnte hinweg glaubhaft versichert, sie würden zusammen aufhören, sobald einer von ihnen nicht mehr dabei sein kann oder möchte. Heikedine Körting hat glaubhaft versichert: "Wenn ich aufhöre, verschwindet das Studio." (zeit.de, 15.11.2024) Und Jens hat wiederum glaubhaft versichert, er werde "das Produkt sofort verlassen", sobald Heikedine Körting nicht mehr Regie führe (NDR, 05.07.2019). Da muss man nur noch 1 + 1 + 1 zusammenzählen. Derlei Äußerungen am Ende der Buch-Hörspiel-Verwertungskette werden bei Kosmos doch sicherlich sorgsam registriert?
Bestimmt. Aber mehr als zu registrieren kann man ja auch erst mal nicht machen.
Justus, Bob und Peter sind dir seit drei Jahrzehnten wohlvertraut und ihre Zentrale ist in deinem Kopf unter allerlei Gedankengerümpel versteckt, so dass du ihnen beim Schreiben ihrer Dialoge eigentlich nur noch zuhören musstest. Wenn dein allerletztes drei ???-Buch geschrieben ist, werden sie sich wohl weiterhin zu Wort melden, aber du hörst dann einfach nicht mehr hin - Ghosting in Rocky Beach?
Vermutlich. Ich will jetzt erst mal woanders Kopf-Urlaub machen.
Im Karpatenhund-Film scheinen die drei Hauptdarsteller Julius Weckauf, Nevio Wendt und Levi Brandl nun im idealen Alter für die drei ??? zu sein. Wurden der zweite und der dritte Film auch deshalb in einem Rutsch gedreht?
Das war sicherlich einer der Gründe. Und natürlich die Kostenersparnis, weil man Sets wie den Schrottplatz und die Zentrale nur einmal baut und auch sonst mit dieser Back-to-back-Strategie sicherlich viel gespart werden kann. (Fragt mich nicht, was genau.)

Liegt also auch da - natürlich noch unausgesprochen - ein Abschied in der Luft? Für einen vierten Film müsste wohl neubesetzt werden?
Müsste es? Ich habe neulich mal irgendwo eine Umfrage gelesen: Wie alt stellt ihr euch die drei ??? vor? Bei den Antworten war von 13 bis 23 alles dabei. Das hat natürlich verschiedene Gründe, aber unterm Strich bedeutet es für mich, dass das Publikum wahrscheinlich auch noch ca. 19-jährige Darsteller akzeptieren würde.

Und Julius, Nevio und Levi stehen dann in zehn Jahren für Rocky Beach. Eine Interpretation vor der Kamera?
Wer weiß.
Die Karpatenhund-Wohnanlage haben wir kürzlich in San Bartolomé de Tirajana auf Gran Canaria entdeckt. Liegt Makatao auch auf den Kanaren?
Ja. Wobei ich nicht weiß, wo genau. Bei meinem Setbesuch habe ich nur den Schrottplatz und das Gebäude gesehen, in dem sich Ethno Art befindet.
Der kammerspielartige Karpatenhund-Film dürfte kein allzu überbordendes Budget verschlungen haben. Gegenüber der Vorlage wurde sogar ein komplettes Set eingespart und die Nebenhandlung in der Kirche entfiel. Aber in Toteninsel wird dann alles aufgefahren?
Ich höre gerade innerlich sämtliche an der Produktion und Finanzierung von Karpatenhund beteiligte Personen hysterisch auflachen. Ohne genaue Zahlen zu kennen, kann ich euch versichern, dass Karpatenhund nicht aus der Portokasse bezahlt wurde. Für Fragen zur Toteninsel-Verfilmung ist es noch zu früh.
Du hörst auf - und Elizabeth Arthur fängt an. Ihre seit mehreren Jahren angekündigte eigene The Three Investigators-Serie, weiterentwickelt auf der Grundlage der Geschichten ihres Vaters, ist im März mit den ersten drei Folgen gestartet. Wie hast du all ihre durchaus hochtrabenden Ankündigungen und Ausführungen zur Serie wahrgenommen? Wirst du das lesen?
Ich finde das Projekt spannend, bin aber auch irritiert von der augenscheinlichen Naivität, mit der Mrs. Arthur an die Sache herangegangen ist (Stichwort: Netflix-Serie). Andererseits: Hut ab, innerhalb weniger Jahre einen solchen Output zu produzieren. Ich habe bislang 60 Seiten des ersten Bands gelesen. All die Neuausrichtungen und geänderten Hintergründe der Figuren finde ich okay, das kann man alles machen bei einem modernisierten Reboot. Nicht okay finde ich, dass die Geschichte nicht in Gang kommt. Wo bleibt der Knall, der Schrei, das Geheimnis? Wo bleibt der Fall? Versteckt er sich auf den nächsten 60 Seiten?
Ihr Ansatz, die drei Detektive konkret immer ein Stück weit altern zu lassen, müsste dir doch eigentlich gefallen?
Für die Prämisse, die die neue Serie hat, gefällt es mir. Auf die deutsche Hauptreihe würde ich es trotzdem nicht übertragen wollen.
Elizabeth Arthurs Reboot könnte 20 Jahre nach dem Rechtsstreit - bei dem sie auf der Seite von SonyBMG stand - wieder für Verwirrung sorgen, auch wenn in Rocky Beach die Grenzen zwischen den Three Investigators und den drei ??? allem Anschein nach klar gezogen sind. Aber wenn sich nun jemand hierzulande die Verwertungsrechte von Elizabeth Arthurs The Three Investigators-Serie schnappt und deutschsprachige Übersetzungen als Die drei Detektive herausbringt?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Kosmos gegen Vorstöße dieser Art nicht abgesichert hat. Aber bevor ich hier selbst Mutmaßungen anstelle, verweise ich lieber auf die Menschen im Verlag, die sich damit auskennen.
In fünfzehn Jahren wird es siebzig Jahre her sein, dass Robert Arthur gestorben ist. Auch wenn beispielsweise "Die drei ???" weiterhin markenrechtlich geschützt sein wird, so dürften die drei Detektive Jupiter Jones, Pete Crenshaw und Bob Andrews, ihre Visitenkarte mit dem ???-Logo und alle Figuren und Schauplätze, die sich Robert Arthur in und rund um Rocky Beach ausgedacht hat, hierzulande ab dem 1. Januar 2040 gemeinfrei werden. Alle können dann eigene Geschichten der drei Detektive auf den Markt werfen ...
Ist das so? Ich weiß es nicht und verweise auch hier auf die Menschen im Verlag, die sich damit auskennen.
Die drei ??? und der rote Büffel fügt sich in die Reihe deiner letzten Bücher perfekt ein und eigentlich ist zwischen den Zeilen nirgendwo zu erahnen, dass dies dein letzter Beitrag für die Serie ist. Wenn man mal davon absieht, dass sich hier nun eine Klammer schließt, die mit Poltergeist geöffnet wurde?
Diese Art von Subtext hätte zu viele Interferenzen mit der Grundstimmung der Geschichte verursacht. Man darf nicht zu viel wollen. Ich wollte mich auf die Story konzentrieren, nicht auf die Tatsache, dass es meine letzte ist.
Der erste wohlvertraute Name, der im roten Büffel fällt, ist François Fortunard. Dennis Lynds hat uns einst bestätigt, dass er bei Fortunards verschwundenem Meisterwerk ein ganz bestimmtes Gemälde eines ganz bestimmen Malers vor Augen hatte: Der Turm der blauen Pferde von Franz Marc. Hattest du ebenso ein bestimmtes Bild von Franz Marc im Sinn? Und klingt der "rote Büffel" nicht nur zufällig entfernt nach dem Blauen Reiter?
Der rote Büffel war während des Schreibens die längste Zeit gar kein roter Büffel, sondern ein blauer Fuchs. Der Verlag war aus irgendwelchen Gründen, die ich vergessen habe, nicht so angetan davon, und so haben wir den Fuchs nach einigem Hin und Her in einen Büffel verwandelt und die Farbe geändert. Für den Plot war es egal. Der blaue Fuchs hatte tatsächlich eine Vorlage von Franz Marc. Das Bild von 1911 heißt schlicht Fuchs oder Blauschwarzer Fuchs. Im Buch wäre es dann nicht genau dieses Bild, sondern eine Variation davon geworden. Ein kleines Überbleibsel davon findet man auf Seite 43.
Wer wegen Fortunard auf weitere Bezüge zu den rätselhaften Bildern hofft, bekommt jedoch nicht mal Zirbelnüsse - allenfalls eine Treppe, die zweimal im "Zickzack" verläuft! Eigentlich hätte der Maler des gesuchten Gemäldes ebenso gut George MacGuffin heißen können?
George MacGuffin kommt aber nicht bei den rätselhaften Bildern vor. Ich wollte eine Verbindung zwischen Hugenay und Fortunard herstellen, weil ich es bis heute irritierend finde, dass ausgerechnet Die rätselhaften Bilder kein Hugenay-Fall ist.
Dafür wird ein anderer alter Bekannter umso wichtiger. Im Klappentext wird sein Name bereits verraten und selbst im Inhaltsverzeichnis auf S. 5 steht der Name spoiler-schwarz auf weiß. Weil ihr dachtet, dass eh alle damit gerechnet haben?
Darüber gab es längere Diskussionen: Lassen wir den Namen im U4-Text fallen oder nicht? Ich habe mich letztlich für die Namensnennung ausgesprochen, einfach weil es ein starkes Verkaufsargument ist. Dass der Name in den Online-Vorschautexten wiederum nicht auftaucht, und dass genau dieser Umstand beim Erscheinen des Buches für Spoiler-Verwirrungen sorgen würde, das war mir alles nicht bewusst.
Warst du nach Band 125 nicht der Meinung gewesen, der Meisterdieb sei auserzählt und mehr als sein von dir hinzu erdachter biografischer und kriminologischer Hintergrund sei nicht drin, so dass er dauerhaft hinter Gittern wandern musste? Was hat dich dazu bewogen, ihn zu reaktivieren?
Zum einen war es die Not, ganz schnell mit einem neuen Plot um die Ecke kommen zu müssen, nachdem ich das ursprünglich geplante Buch wegen inhaltlicher Überschneidungen mit dem zeitgleich erscheinenden Geheimnis der sieben Palmen nicht schreiben konnte. Ich konnte es mir nicht leisten, wochenlang über irgendwas nachzugrübeln. Ich brauchte schnell eine neue Geschichte. Und da ich ja sowieso nie ganze Plots im Kopf habe, wenn ich mit dem Schreiben beginne, sondern nur grobe Ideen, bedeutete dies übersetzt: Ich brauchte eine Idee, die ich selbst aufregend genug finde, dass sie mich so schnell wie möglich durch die Geschichte zieht. Und das war dann überraschenderweise Hugenay, womit ich selbst nie gerechnet hätte.
Ich überlegte: In Rocky Beach mag seit Hugenays Inhaftierung so gut wie keine Zeit vergangen sein - aber es vergeht ja generell keine Zeit dort. In unserer Welt aber sind seit Erscheinen von Feuermond zwanzig Jahre ins Land gezogen. In der schwer messbaren gefühlten Zeit von Rocky Beach ist das vielleicht ungefähr so lang, wie man als Meisterdieb für mehrfachen Kunstraub einsitzt. Fand ich jedenfalls. Zwanzig Jahre Gefängnis schienen mir bei sechzigjähriger Seriengeschichte jedenfalls nicht zu kurz.
Außerdem wurde mir klar: Nach meinem Ausstieg werde ich keinerlei Einfluss mehr auf den Werdegang von Victor Hugenay haben. Dann möchte ich wenigstens derjenige sein, der ihn aus dem Gefängnis holt. Dank der Informationen, die im hinteren Klappentext des Rocky-Beach-Crimes-Bands Mord unter Palmen versteckt sind, war ich hier nicht ganz frei in meinen Entscheidungen. Aber wie sagte schon Orson Welles - Der Feind der Kunst ist die Abwesenheit von Grenzen. Und so begriff ich es als Herausforderung, all das unter einen Hut zu bringen.
Der Name der Auftraggeberin scheint bewusst gewählt: auf den Feuermond folgt Alba, die Morgendämmerung, der helle Tagesanbruch ...?
Schöne Interpretation.
"Chapeau", das letzte Wort deines letzten Buchs ist bereits in mehreren Kommentaren aufgegriffen und in deine Richtung zurückgerufen worden. Du hast das wohl hoffentlich nicht beifallheischend eingebaut, sondern - womöglich unbewusst - als doppelbödigen Fingerzeig? Hugenay zieht seinen Hut und der Autor nimmt seinen Hut?
Ursprünglich sollte da etwas ganz anderes stehen, nämlich: "Touché!" Im Sinne von: Du warst der Bessere, du hattest den besseren Plan, der Punkt geht an dich. Die Hinleitung zu diesem Wort fügte sich gegen Ende aber nicht wirklich organisch in die Geschichte ein und so wurde es kurz vor Abgabe des Manuskripts in ein "Chapeau" verwandelt, was viel besser passte. Dass ich damit auch meinen eigenen Hut nehme, fiel mir zwar auf, war aber nicht die Intention für die Umformulierung.
Wenn zu Beginn der Geschichte das Wort "Kalif-" mitten im Wort unterbrochen wird, riecht das verdächtig nach einer überraschenden Wendung. Einige Minuten lang dachten wir fast, du würdest dir zum Schluss eine Europa-Reise gönnen und die drei ??? nach Kalifornien in Schleswig-Holstein befördern. Aber apropos Schleswig-Holstein: Thomas Mann, einer der berühmtesten Söhne Lübecks, wird in seinem 150. Geburtsjahr in Rocky Beach mit einem ungewöhnlichen Fall gewürdigt, der sich um das Werk des Schriftstellers, sein kalifornisches Wohnhaus und um das verschollene Manuskript der Buddenbrooks dreht. Damit hat Marco Sonnleitner jenem Fall, mit dem du dich eigentlich verabschieden wolltest, den Stecker gezogen. Was genau hattest du dir ursprünglich überlegt, bis dir Das Geheimnis der sieben Palmen in die Quere kam? Warst du fast fertig oder wie weit war die Geschichte gediehen? Und gab es bereits einen Arbeitstitel?
Der Arbeitstitel lautete The Last Goodbye, phasenweise auch Tod eines Schriftstellers. Das wäre aber natürlich nicht der endgültige Titel geworden. Es war die Geschichte einer Familie, die bei der Testamentseröffnung des Familienoberhaupts zusammenkommt und erfährt, dass der verstorbene Schriftsteller ein letztes Manuskript hinterlassen hat. Und zwar eines, in dem "die ganze Wahrheit" steht, so der Testamentsvollstrecker. Jeder der Anwesenden versteht etwas anderes darunter, was die "Wahrheit" sein könnte, aber alle sind alarmiert. Das Manuskript verschwindet natürlich und jeder hat ein anderes Motiv, es gestohlen zu haben.
Es wäre ein Kammerspiel mit vielen skurrilen Figuren geworden, was mir gefallen hat. Ich hatte aber auch Angst davor, dass es zu statisch und zu wenig actionreich wird und dass ich mich in Meta-Anspielungen verliere, denn der Subtext wäre im Grunde gewesen: Sobald jemand ein Buch schreibt, wird der Inhalt ein Stück weit Realität, selbst wenn alles nur ausgedacht ist. Dieser Grundgedanke hätte vermutlich zu einigen philosophischen Diskussionen unter den Figuren geführt. Das wäre vielleicht ganz gut geworden. Vielleicht aber auch nicht. Wir werden es nie erfahren.
Dass sich zwei neue Bücher aus Versehen inhaltlich oder sonstwie zu nahe kommen, ist aber doch schon früher mal passiert - da wurde ein Buch dann eben ein wenig nach hinten geschoben. Warum stand das diesmal nicht zur Debatte?
Weil Thomas Mann nun mal 1875 geboren wurde. Damit kam ein Verschieben von Marcos Band nicht mehr infrage. Außerdem war er ja schon fertig. Und mein Meta-Band wurde dann ja verschoben - aufs Abstellgleis. Aber der mir zugedachte Programmplatz musste schließlich trotzdem gefüllt werden. Also begann ich bei Null mit dem roten Büffel.
Fürs Protokoll: The Last Goodbye war weit, weit, weit entfernt von "fertig". Ich war auf Seite vierzig einer allerersten Fassung. Von diesen vierzig Seiten hätte wahrscheinlich keine einzige die letzte Fassung erlebt, weil ich auf dem Weg zum Ende alles tausendmal umgeworfen hätte. Im Grunde genommen hatte ich noch nicht sehr viel mehr als ein paar Ideen, Figuren und Situationen. Die eigentliche Arbeit, nämlich daraus eine funktionierende Erzählung zu basteln, stand mir noch bevor.
Um deine erste Idee wäre es wirklich schade. Schreib die Geschichte doch ruhig ohne Abgabetermin in den nächsten Monaten zu Ende, solange du noch weißt, worum es gehen sollte? Anschließend legst du den Fall so lange in die Schublade, bis er irgendwann als deine eigentlich letzte, von Thomas Mann durchkreuzte Geschichte wieder auftaucht und die Nostalgie-Edition bereichert?
Ich schreibe niemals irgendwas "ruhig zu Ende". Schreiben ist für mich Stress, ob mit oder ohne Abgabetermin. Ich habe dieser Tätigkeit nicht ohne Grund nun den Rücken gekehrt. Deshalb: nein.
Wann immer du erzählst, du hättest einen Anfang oder sonst einen Entwurf "in die Tonne" gekloppt, so hast du das sicherlich nicht wirklich weggeschmissen. In welcher analogen oder virtuellen Tonne bewahrst du derlei Überbleibsel auf? Liegt da alles aus drei Jahrzehnten drin?
In der analogen oder der virtuellen Tonne. Da liegt wahrscheinlich nicht alles drin. Aber vieles.
Wäre es wohl möglich, wie im Karpatenhund-Film "das Unsichtbare sichtbar zu machen" und ausgewählte Entwürfe, Anfänge und Outtakes deinerseits aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu präsentieren? Du hast selbst einmal anlässlich des 200. Bandes mit dem Gedanken gespielt, die aus dem stark gekürzten dritten Buch entnommenen Fragmente online zu veröffentlichen, aber ohne eigene Website gehe das schlecht. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es bei uns eine alte, eigens von dir zu genau diesem Zweck eröffnete Seite gibt und dass wir das herzlich gerne aktualisieren und weiterführen können?
Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte mir noch ein wenig Zeit lassen, bevor ich mich mit meiner Nachlassverwaltung beschäftige.
Regen, Regen, Regen - ist es Zufall, dass es nicht nur in deinem allerersten Buch, sondern auch in deinem letzten Buch fortwährend regnet?
Es regnet in Poltergeist? Habe ich vergessen. Oder meinst du Das versunkene Schiff? Jedenfalls war es keine Absicht. Der Plot hat den Regen verlangt. Hätte ich mich für eine andere Variante der Geschichte entschieden - der MacGuffin wird von Feuer bedroht statt von Wasser -, hätte es natürlich auch nicht geregnet.
Im roten Büffel fällt in Kalifornien nicht nur extrem viel Regen, es wird schließlich noch nasser und gefährlich. Zugleich erkunden die drei Detektive in Das Geheimnis der sieben Palmen Thomas Manns Wohnhaus, im idyllischen Stadtteil Pacific Palisades gelegen, den du mit Justus, Bob und Peter auch schon öfters durchstreift hast, zumal Rocky Beach als dessen Nachbarort gilt. Und nun hat wenige Wochen vor Veröffentlichung beider Bücher im staubtrockenen Los Angeles eine Feuerkatastrophe gewütet und Pacific Palisades ist in weiten Teilen zerstört ... Wie lange können die drei ??? ihre Rocky Beach-Märchenwelt noch vorgaukeln - allen verstörenden Entwicklungen zum Trotz? Oder gerade deswegen?
Gerade deswegen natürlich. Rocky Beach hatte noch nie viel mit der Realität zu tun. Warum sollte es ausgerechnet jetzt anders sein?
Du hast öfters erklärt, beim Schreiben nicht in Hörspielkategorien denken zu wollen. Hatte nun deine beratende Tätigkeit für die neuen Die drei ???-Kinofilme einen Einfluss auf den roten Büffel? Hast du irgendwie filmischer geschrieben oder dramaturgische Entscheidungen gefällt, die dir ohne die Filme nicht in den Sinn gekommen wären?
Nein. Ich glaube, ich habe schon immer sehr filmisch geschrieben.
Erbe des Drachen war 2023 der erfolgreichste deutsche Kinofilm des Jahres. Ein zweiter Film hat es meistens schwerer - zumal euch in diesem Jahr Das Kanu des Manitu zwangsläufig abhängen wird. Wie macht sich der Karpatenhund derzeit in den Kinos?
Karpatenhund wird wohl insgesamt weniger Besucher haben als Erbe des Drachen. Die Produktion und der Verleih sind trotzdem sehr zufrieden, da man nicht außer Acht lassen darf, dass Erbe des Drachen 2023 fast ohne Konkurrenz startete. Karpatenhund hingegen musste sich 2025 gegen diverse Family-Entertainment-Titel mit großem Budget durchsetzen. Ich bin kein Branchenfachmann, aber nach allem, was mir gespiegelt wurde, hat der Film das anscheinend sehr gut gemacht.
Falls Toteninsel nicht floppt, ist der vierte Film so sicher wie das "Kommt, Kollegen!" in der Zentrale. Wärst du dann als Berater wieder an Bord?
Ich finde das überhaupt nicht so sicher. Aber falls doch, käme es bei meiner möglichen Mitwirkung auf so viele Faktoren an, dass ich das beim besten Willen nicht beantworten kann.
Könntest du dir vorstellen, an der Geschichte für das nächste Live-Hörspiel mitzuwirken, wann auch immer es über die Bühne gehen wird? (Du merkst, wir versuchen verzweifelt, dich in Rocky Beach festzunageln ...)
Das ist eine so eigene Welt, dass ich mich da eher nicht sehe.
In ihrem Bobcast widmen sich Andreas Fröhlich und Kai Schwind in chronologischer Reihenfolge den Hörspielen, derzeit sind die letzten Crimebusters dran. Spätestens ab Tatort Zirkus stellt sich die Frage, ob sie die deutschen Autorinnen und Autoren vors Mikrofon bitten und sie selbst zu Wort kommen lassen. Du hättest sicherlich eine Menge zu jeder einzelnen deiner eigenen Folgen zu erzählen?
Inzwischen wissen wir, dass BJHW eingeladen wurde. Insofern kann ich mich schon mal langsam vorbereiten. Erzählen könnte ich natürlich viel. Die Schwierigkeit wird eher sein, etwas zu finden, was ich nicht schon tausendmal zu Protokoll gegeben habe.

So oder so können Andreas und Kai für deine Bücher der ersten fünf Jahre die rocky-beach.com nach zeitgenössischen Aussagen deinerseits durchwühlen, in deiner alten Fragebox mit ihren tausend Fragen und Antworten bekommen sie sehr viel zu lesen. Hast du in der Fragebox auch schon mal selbst recherchiert?
Nein. Warum sollte ich recherchieren, was ich vor Jahrzehnten mal von mir gegeben habe?

Der Bobcast ist so populär, dass er das Publikum auch live anzieht. Selbst wenn du mit Lesungen ziemlich bald aufgehört und dich im Hintergrund gehalten hast (Ausnahmen wie auf der Frankfurter Buchmesse bestätigen die Regel), könntest du doch ebenso zum Die drei ???-Abend bitten und aus dem Bücherkästchen plaudern?
Könnte ich. Ich wüsste nur gerade nicht, was ich aus diesem Kästchen rausholen sollte. Und dann wäre da ja noch das Grauen des Lampenfiebers, gepaart mit dem Grauen der kleinstädtischen Hotelübernachtung. Beides hält mich immer wieder von solchen Überlegungen ab.
Hattest du vor dem Start von Erbe des Drachen die Sorge, der Film könne sich als Kassengift erweisen?
Da es nicht mein Film ist: nein. Es wäre schon irgendwie blöd gewesen, aber Sorge ist das falsche Wort.
Sobald ein neues Werk veröffentlicht ist, wird gerne verraten, was im vorherigen eher suboptimal gelaufen ist, um sich eine Lernkurve zu bescheinigen. Gibt es tatsächlich etwas, was dir an Erbe des Drachen nicht so gut gefallen hat? Rumänien als Schauplatz vielleicht?
Vielleicht.
Und was hat dir besonders gut an eurem ersten Film gefallen?
Ich möchte die Frage für alle drei Filme beantworten. Ich war neulich noch mal im Kino und habe mir Karpatenhund an einem Sonntagnachmittag angesehen. Drei Viertel des Publikums waren Kinder. Ich hatte etwas Angst vor Unruhe im Saal. Unbegründet, wie sich herausstellte. Es war mucksmäuschenstill. Die Kinder waren gefesselt von dem, was sie sahen. Die wenigen, die sich einiger Kommentare nicht enthalten konnten, diskutierten über die Handlung und die Frage, wer wohl der Täter sein mochte. Ich war sehr glücklich, zu sehen, dass der Film das erreicht, was damals für meine Generation die Bücher und die Hörspiele erreicht haben: Er nimmt sein Publikum ernst. Es gibt keinerlei Kinderfilm-typischen Slapstick, keine Albernheiten oder unpassenden Liebesgeschichten. Es geht um drei Jungs, die Detektive sind und einen Fall lösen, und sie tun das ohne jede Ironie, ohne Zwinkerzwinker und ohne Schenkelklopfer-Legitimierug für die Erwachsenen, das alles nicht so ernst nehmen zu müssen. Für die drei ??? ist es ernst. Für die Kinder, die den Film sehen, ist es ernst. Und das ist genau das, was ich als Zehnjähriger an der Reihe so geliebt habe. Ich hatte nicht das Gefühl, von einem Erwachsenen an die Hand genommen und durch eine Geschichte geführt zu werden. Ich durfte sie selbst entdecken. Und genau das leisten die drei Kinofilme von Tim Dünschede und ich bin sehr glücklich darüber.
Bücher zu Kinofilmen sind ein zwiespältiges Genre: literarische Geniestreiche darf niemand erwarten, aber der Verlag rechnet mit klingelnden Kassen. Siehst du sie als vollwertige Geschichten deinerseits an?
Nein. Eher als Malen nach Zahlen.
Lass uns mal rechnen, Bob: 38 reguläre Folgen plus zwei Sonderbände plus drei Bücher zu den Kinofilmen = 43. Aber deine drei Trilogien zählen genau genommen jeweils dreifach, also sind es nunmehr 49 Bücher. Da fehlt noch eins! Du kannst jetzt nicht aufhören!
Habe ich aber doch schon.
In einem früheren Buch hattest du bereits einen Stoffhasen erhängt - auf dem Puppenmacher baumeln nun zwei menschengleiche Puppen gehenkt am Galgenstrick. Wie brutal und schockierend dürfen die drei ??? inzwischen sein?
Mich stört das "inzwischen", denn meine Antwort lautet: genauso wie immer. Schon im riskanten Ritt waren wir live dabei, wie jemand einen grausamen Tod in einem Lavastrom fand. Und der tanzende Teufel war für mich eine No-go-Folge (als Hörspiel), da ich das Gebrüll des Teufels nicht ertrug. Schockmomente gehören zur DNA der Serie - wobei es aber eben auch nur Momente sind, die nicht in jeder Folge vorkommen müssen. Die Puppenmacher-Szene finde ich sogar relativ harmlos, denn die Puppen wurden ja nicht absichtlich gehängt, sondern es sieht nur zufällig so aus - und es macht sich gut auf dem Cover.
Mit dem Wissen um deinen Abschied wären deine jüngsten Bücher nun als dein 'Spätwerk' zu bezeichnen. Ein kurzer Blick zu Alfred Hitchcocks Spätwerk (Marnie, Der zerrissene Vorhang, Topaz, Frenzy, Familiengrab) lässt erahnen, was das bedeutet: alles spielt nach wie vor auf sehr hohem Niveau, doch die Grenzen zwischen Erfahrung und Routine zerfließen. Gleichwohl kann eine Perle dabei sein und jedes Spätwerk besticht durch gelungene Einfälle - findest du dich in dieser Beschreibung wieder? Die Perle ist der Puppenmacher? Und das Alleinstellungsmerkmal von Im Wald der Gefahren wäre Peters Pilzetrip?
Abgesehen davon, dass ich mich jederzeit gern mit Alfred Hitchcock vergleichen lasse (wie angemessen das ist, müssen andere entscheiden), finde ich mich ganz gut in diesen Worten wieder. Erfahrung, Routine, hier und da ein gelungener Einfall. So ist es.
Der Kristallschädel wartet gegen Ende mit einem Bezug zu Deutschland und einem in Idar-Oberstein in alter Kurrentschrift abgefassten Brief auf - mit dem Datum des "8.10.38" kann nur das 20. Jahrhundert gemeint sein. Kurzum: die Kristallschädel wurden 1938 gefertigt und sie stammen aus Nazi-Deutschland. Niemand spricht das aus. Von der damaligen Situation vor Ort kein Wort, keine Rede von den Novemberpogromen ("Reichskristallnacht"), dabei wurde einen Tag und einen Monat nach dem Brief auch in Idar-Oberstein die Synagoge verwüstet und in Brand gesetzt. Es wird auch nicht erklärt, wieso die Familie Unterthal in die USA ausgewandert ist. Dabei sind die drei Detektive doch sonst nicht so geschichtsvergessen. Ist der 8.10.1938 das Überbleibsel einer Vorgeschichte, mit der du eigentlich historischen Kontext bieten wolltest?
Alles, was ihr aufzählt, hätte den Rahmen der Geschichte gesprengt. Ein Justus-Vortrag über die Novemberpogrome hätte in einer Geschichte über Kristallschädel wie ein Fremdkörper gewirkt. Aber natürlich schwingt der düstere historische Hintergrund mit und wird zwischen den Zeilen miterzählt. Das war zumindest die Idee.
Beim Jadekönig beeindrucken am ehesten die Konfusion zu Beginn und die mit Leichtigkeit eingebaute queere Liebesbeziehung. Den einen oder anderen rückständigen Fan hat das immer noch getriggert, doch allgemein waren die Reaktionen darauf sicherlich kein Vergleich zu Jeffrey zwanzig Jahre zuvor?
Ich bin der Meinung, man sollte sich weniger häufig öffentlich über rückständige Geisteshaltungen aufregen und sie mehr mit Missachtung strafen. Das generiert viel weniger Aufmerksamkeit. Die negativen Stimmen, die ich zu der Liebesgeschichte im Jadekönig mitbekommen habe, kann ich an einer Hand abzählen.
In Feuriges Auge hast du das Kunststück vollbracht, einen von Robert Arthurs Klassikern so weiterzuerzählen, dass das Original unangetastet bleibt und zugleich umgedeutet und erweitert wird; zugleich hast du dein Faible für ungewöhnliche Erzählstrukturen ausgelebt - eine mehr als würdige runde Folge. Feuriges Auge war sogar nominiert für den renommierten Hansjörg-Martin-Preis 2019 für den besten Kinder- oder Jugendkrimi des Jahres - es schien, als führe pünktlich zum Jubiläum an einer späten Ehrung der drei ??? kein Weg vorbei. Doch bei der Preisverleihung bist du leer ausgegangen. Hat das geschmerzt oder denkt man in so einem Moment ganz gelassen an Alfred Hitchcock, der nie einen Oscar bekam?
Es war schon eine kleine Sensation, überhaupt nominiert worden zu sein, und ein sehr aufregender Moment, dort im Publikum zu sitzen und auf den "And the winner is ..."-Moment zu warten. Natürlich war es dann ein bisschen blöd, dass Feuriges Auge leer ausging. Aber ich teilte das Schicksal mit drei weiteren Nominierten, die sich auch alle Hoffnungen gemacht hatten, insofern - passt schon. Dabei zu sein, war in diesem Fall zwar nicht alles, aber schon eine Menge.
Im März 2018 startete Die drei ??? - Mission Rocky Beach mit vier Escape Rooms in Köln, die unter deiner Mitwirkung entstanden: Das Erbe des Geisterpiraten, Nacht der Illusionen, ... und die Truhe der Meister sowie ... und der Totenkopffalter. Böten sich diese vier Fälle nicht noch dafür an, in einem Kurzgeschichtenband präsentiert zu werden?
Nein. Das waren Storyvehikel, die einzig dem Zweck dienten, den Escape-Room-Rätsel ein bisschen Fleisch auf die Knochen zu packen und ein rundes Gesamterlebnis für die Besucher zu kreieren. Die könnte man natürlich zu Kurzgeschichten verarbeiten, aber dafür sind sie mir allesamt zu dünn und zu wenig eigenständig. Aber danke, dass ihr die Escape Rooms erwähnt, denn ich habe das Gefühl, sie sind in der allgemeinen Fan-Wahrnehmung ziemlich untergegangen. Es weiß auch kaum jemand, dass ich da mitgearbeitet habe.
Justus Jonas auf deinem Arm - wäre eine perfekte Bauchrednerpuppe, oder?
Bisschen schwer vielleicht.
Die Dein Fall!-Abenteuerspielbücher haben dich nicht gereizt, weil das dort bereits begründete Format nicht so ganz dein Fall war. Bei einem Buch mit japanischer Bindung, sprich: verschlossenen Seiten konntest du nun Inhalt und Erzählform definieren und hast dafür sehr lange an der Struktur getüftelt. Ist es nicht schade, dass das Grab der Maya als Sonderband außerhalb der Reihe daherkam?
In einem normalen Band hätte es ja keine neue Erzählform gegeben, insofern: nein. Als normaler Band ohne die Perspektivwechsel hätte mich die Geschichte nicht interessiert.
War in deinen Büchern schon immer ein Quentchen Düsternis zu erahnen, so scheinst du seit deinem Wiedereinstieg die Dosierung erhöht zu haben, eben auch in Insel des Vergessens. Weil die zwünfunddrölfzigste Folge nur Sinn macht, solange die Grenzen nach wie vor ausgetestet und immer noch ein bisschen weiter gedehnt werden?
Nein. Weil ich ein Faible für Düsteres habe und es hier mal wieder dark haben wollte. Der Vorgänger und der Nachfolger waren ja deutlich weniger düster.
Als die Zusammenarbeit von Kosmos mit den Betreibern der Escape Rooms anno 2014 begann, könnte Das Kabinett des Zauberers bereits abgeschlossen gewesen sein. Dennoch fallen gewisse Parallelen auf: in Köln widmet sich einer der Räume ebenfalls einem Magier - und im Theaterkeller von Pablos Zauberkabinett müssen die drei ??? in eher statischen Szenen allerlei Zeitungsausschnitte, Zettel und Plakate an der Wand untersuchen, als befänden sie sich in einem literarisierten Escape Room ...?
Ich habe erst 2016 für die Escape Rooms gearbeitet, da war Das Kabinett des Zauberers schon erschienen. Aber ich scheine generell eine längere Zauberei-Phase gehabt zu haben, es hätte nämlich beinahe noch ein weiteres Zauberer-Buch gegeben, so um 2020 herum. Aber die Geschichte stellte mir immer wieder ein Bein und irgendwann habe ich mich dann schmollend etwas anderem zugewandt.
Für die Top Secret Edition 2 wurdest du gebeten, dein versunkenes Schiff zu heben, mit dem du dich einst bei Kosmos beworben hattest und das seit mehr als fünfzehn Jahren auf dem Grund deiner Schublade ruhte. Warst du damit sofort einverstanden? Schließlich hast du dein altes Manuskript nicht 1:1 übernommen - ist es dir schwergefallen, die richtige Balance zwischen authentischem Original und Überarbeitung zu finden?
Ich wurde nicht gebeten, ich habe es selbst vorgeschlagen, da mir zu Ohren gekommen war, dass eine zweite Top Secret Edition daran zu scheitern drohte, dass es kein drittes unveröffentlichtes/unübersetztes Manuskript gab. Ich las also mein altes Manuskript, fand es charmant und bot es der Redaktion an unter der Prämisse, es von Grund auf zu überarbeiten. Schließlich war es mein unlektorierter Erstling. Da war ganz, ganz vieles nicht gut. Die richtige Balance zu finden, war ganz einfach. Die Arbeit daran war eine große Freude. Selten ging mir ein Projekt so leicht von der Hand wie dieses.
John Dewey ist nicht der erste Geist eines Goldgräbers in der Editionsgeschichte - der Nebelberg lässt grüßen -, aber immerhin stiehlt ihm ein origineller Einfall die Show: Sniffer, der unsichtbare Hund. Am Ende ist man berührt und froh, dass die drei Detektive das Rätsel um diesen Geist nicht entzaubern - genauso wie ihr für uns die Illusion der drei ??? aufrechterhaltet ...?
Es gibt ja auch gar kein Rätsel. Sniffer ist ein unsichtbarer Hund, fertig.
In deiner zweiten und zugleich letzten Kurzgeschichte hast du den Rückwärtsgang eingelegt und die Erzählrichtung eines Falls gegen den Strich gebürstet. Nun zeichnet sich eine normal verlaufende Detektivgeschichte ohnehin dadurch aus, dass die Ermittlungen voranschreiten, während der Blick ständig zurück in die Vergangenheit gerichtet ist. Dies umzudrehen, muss doch ziemlich knifflig gewesen sein?
Es war zum Haareraufen. Und die Zeit und die Mühe, die in diese blöde Geschichte geflossen sind, haben sich nicht mal ausgezahlt, denn das Ergebnis ist maximal mittelmäßig. Aber es hat mich zumindest von der Idee geheilt, ein ganzes Buch auf diese Weise schreiben zu wollen.
Beim Schach ist die Zahl der möglichen Anfangszüge überschaubar - bei einer Die drei ???-Geschichte verhält es sich in gewisser Weise ähnlich. Hast du alle Variationen zur Eröffnung eines neuen Falls durchgespielt?
Sicherlich nicht. Aber zumindest alle, die mein Gehirn bereit war auszuspucken.
Als du erneut zum Griffel griffst
fünf Jahre nach dem letzten Buch,
befürchtetest du wohl, du triffst
vielleicht daneben beim Versuch,
einen großen Fall zu schreinern?
Also eine Kurzgeschichte!
Und um diese zu verfeinern,
flochtest du sie als Gedichte?

Für eine gedichtete Antwort müsste ich ein Honorar verlangen, daher ganz ohne Reim: Ich entschied mich für diese Form, weil es das Einzige war, das mich gereizt hat an diesem Format.
Nach der außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits im Frühjahr 2008 dauerte es noch eine Weile, bis dein Name wieder erschien - nicht auf der Titelseite eines Buchs, sondern im Impressum der im Sommer 2011 veröffentlichten Folgen (Geheimnisvolle Botschaften, Die blutenden Bilder sowie ... und der schreiende Nebel). Wie viele Bücher hast du auf diesem Wege begleitet - ist das immer vermerkt? Und wie kam es zur "Redaktion" der Geschichten bzw. war es wohl eher ein Lektorat? War es nicht eigenartig, deinen Kolleginnen und Kollegen über die Schulter gucken und ihnen im Zweifelsfall ins Handwerk pfuschen zu müssen?
Es müssten insgesamt neun Bücher gewesen sein, bei denen ich als Lektor tätig war. Es ist nicht überall vermerkt. Und wir hörten wieder auf damit, weil es nicht durchgehend eine gute Idee war.
Das vielleicht dunkelste Setting, Uneinigkeit in der Dorfgemeinschaft, geschäftsorientierte Mitbewohner verkaufen für die Durchsetzung eines neuen Projekts die Seele ihrer Heimat und gehen Andersdenkenden gegenüber äußerst rabiat vor, unter der spiegelglatten Oberfläche des neu erschaffenen Monstrums gähnt ein Abgrund - man merkt irgendwie, dass du das versunkene Dorf geschrieben hast, während der Rechtsstreit immer absurdere Züge annahm. Auch wenn du beim Schreiben wohl noch nichts von dem in der Tiefe verborgenen Testament wissen konntest, das findige Taucher ans Tageslicht befördern würden?
Ich kann wirklich überhaupt nicht mehr sagen, wie da die Chronologie die Ereignisse war, wann genau ich was wusste und wie da Das versunkene Dorf reinpasst. Das meiste aus der Rechtsstreit-Zeit ist mir nicht mehr präsent, das habe ich sehr gut verdrängt.
"Justus Jonas in scrutario sub sole ardente stabat et sudabat" ... Nur zwei Jahre nach deinen ersten Büchern konntest du dir bereits mehrere Übersetzungen ins Regal stellen und bei manchen wie z.B. aus der Slowakei ist im Laufe der Zeit wohl ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten, aber De Tribus Investigatoribus et Fato Draconis war gewiss etwas Besonderes?
Eine besondere Ironie, ja, denn Latein war in der Schule immer mein schlimmstes Fach, das ich leidenschaftlich gehasst habe.
Wenn Hugenay auf Knox Island Justus in das Geheimnis von Feuermond einweiht und erklärt, Jean Marie Jaccard habe Gemälde unter anderem Namen gemalt, weil er "der Meinung war, auch andere Dinge ausprobieren zu müssen als das, was ihn berühmt gemacht hatte" - hören wir da den Autor leise kichern? Wie viele Bücher hast du in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten unter Pseudonym geschrieben, so dass wir gar nichts von ihnen wissen?
Nicht so viele, wie man meinen könnte, aber ein paar waren es schon.
Der Titel Spur ins Nichts geriet ohne dein Zutun zur Chiffre für den Rechtsstreit, der im Frühjahr 2005 zwischen SonyBMG und Kosmos offen ausbrach, kurz bevor die Hörspielfolge 121 erschienen wäre. Das Hickhack um die drei ??? hat dich damals schwer beschäftigt, davon zeugen dein Interview im Oktober 2006 und die lange Pause, die du nach dem versunkenen Dorf eingelegt hast. Wie lange hat es für dich gedauert, bis wirklich Gras über die Sache gewachsen war - und war das überall der Fall?
Die Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden, so auch hier. Aber es hat eben lange gedauert. Wie lange, das kann ich nicht mehr sagen, Stichwort Verdrängung, siehe oben. Irgendwann tat es nicht mehr weh.
Die drei Detektive reden in wichtigen persönlichen Fragen kaum noch miteinander, während mehrere Geschwister sich zusammenraufen und vertragen müssen, um mit vereinten Kräften einen Schlupfkrabbler zusammenzusetzen und ein Rätsel zu lösen. Am Ende steht bei den Geschwistern und bei den drei ??? die große Versöhnung ins Haus. - Alles nur wenige Monate, bevor der Rechtsstreit losbrach. Obwohl du beim Schreiben von Der geheime Schlüssel noch gar nicht wissen konntest, was auf Rocky Beach zurollen würde ...
Ich finde leider keine Frage, auf die ich antworten könnte.
Der finstere Rivale - eine Räuberpistole mit Kofferklamauk und Action voll auf die Zwölf nebst einer Vielzahl von Kraftausdrücken ("neunmalkluges Arschloch", "verfluchter Hurensohn") hart am Rande der Lektoratstoleranz. Hat bestimmt Spaß gemacht?
Total. Das war so ein Buch, bei dem ich mir vorher rein gar nichts überlegt hatte. Ich wollte lediglich mit einem Ereignis beginnen, das maximales Um-die-Ohren-flieg-Potenzial hat und dann gucken, was passiert. Und dieses Ereignis war: ein Koffer voller Geld fliegt auf den Schrottplatz.
Frage am Ouija-Brett: Unfall oder Mord?
Mord. Behauptet zumindest das Ouija-Brett. Und das muss es ja wissen.
Die drei ???-Geschichten sind wie ein gelbes Gemälde: manche sehen mehr darin als andere und beschäftigen sich sehr intensiv auf vielen verschiedenen Ebenen mit dem, was die Bücher und Hörspiele in ihnen auslösen. Spürt man da mit der Zeit und mit den Jahren auch eine gewisse Verantwortung für die Emotionen der Fans, oder hast du stets versucht, das auszuklammern und nicht zu nah an dich heranzulassen?
Ich habe weniger Rücksicht auf die Gefühle der Fans genommen als vielmehr auf den Geist der Serie. Bei allem Austesten von Grenzen war es mir immer wichtig, dass ich den Figuren und der Welt von Rocky Beach treu bleibe - natürlich auch in der Annahme, dass ich es mir auf diese Weise mit etwas Glück auch nicht mit den Fans verscherze.
In ausländischen Fassungen sind Wortspiele adäquat zu übersetzen: funktionieren "die sieben Tore" auch in der Slowakei und in Vietnam? Wurde anderswo mal etwas umgeschrieben, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen?
Da ich weder Slowakisch noch Vietnamesisch beherrsche, kann ich das nicht beantworten. Allerdings war Die sieben Tore mal für die Englisch-Lernen-Reihe von Pons vorgesehen. Ich wies den Verlag dann darauf hin, dass das schwierig werden könnte wegen des Tore-Wortspiels. Man war sehr dankbar für den Hinweis und entschied sich daraufhin für ein anderes Buch - von einem anderen Autor. Kein sehr feiner Zug. Shame on you, Pons.
Der Nebelberg wird für seine Atmosphäre sehr geschätzt; zugleich hast du dir gegen Ende einen kapitalen Fehler geleistet, auf den du erst hier in der Fragebox (Eintrag 868) hingewiesen wurdest - was dich dermaßen wurmte, dass du irgendwann danach eine Fortsetzung begonnen hast, um es doch noch irgendwie aufzudröseln. Wieso ist aus dem Nebelsee nichts geworden?
Weil ich immer wieder daran scheiterte, zu viel Backstory zu haben. Ich hätte sowohl die Nebelberg-Handlung und den Logikfehler erklären als auch eine neue und frische Story obendrauf packen müssen, damit es trotzdem ein eigenständiges Buch wird und nicht bloß eine Redcon-Fortsetzung. Das war (und ist) zu viel Exposition und erwies sich damit als zu sperrig für ein normales Buch.
Das Rocky Beach aus Robert Arthurs Zeiten wirkt gleichsam zeitlos wie antiquiert, aber auch Details aus deinen Geschichten sind inzwischen reif fürs Museum: neben Fax und Disketten liegen auch die E-Mail-Lawine und Schenkelklopfer wie "Die Leute sind ja nicht permanent online" in den Vitrinen. Wurde bislang jeglicher Versuchung widerstanden, derlei angestaubte Realitätssignale in neueren Auflagen und Ausgaben aufzupolieren oder zu entfernen?
Und dann auch gleich raus mit dem Autotelefon im Rolls Royce? Und aus dem Stummfilmstar Stephen Terrill macht man einen gestrauchelten Youtuber? Warum sollte das irgendjemand tun wollen? Es gehört ja zum Reiz der Reihe, sich auch immer wieder in Geschichten zu vertiefen, die sichtbar Staub angesetzt haben.
Wenn du dem Bankräuber zu Beginn von Doppelte Täuschung eine Michael-Jackson-Maske verpasst hast, er im Hörspiel allerdings "eine Plastikmaske mit dem Gesicht des amerikanischen Präsidenten" trägt, mag das eine Petitesse sein, aber es ist eben auch eine ohne jedwede Not herbeigeführte Änderung. Bist du in solchen Fällen immer ruhig geblieben? Oder anders gefragt: wann hast du Abstand davon genommen, die Hörspiele zu hören?
Ob der Bankräuber nun eine Michael-Jackson-Maske oder eine Präsidentenmaske trägt, ist zum Glück vollkommen egal. An weitere Änderungen, mit denen ich vielleicht nicht einverstanden war, erinnere ich mich nicht, denn ich habe bereits beim Nebelberg aufgehört, die Hörspiele zu hören. Ich hatte große Schwierigkeiten mit dem Tempo, in dem Andreas Fröhlich Bobs Tagebucheinträge vorliest. Das war so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich mit dem Tagebuch - auch fürs Hörspiel - erreichen wollte.
Deine eigenen Geschichten liest du nach Fertigstellung nie mehr wieder - das hast du jedenfalls stets betont -, aber nachdem im Film-Team die Wahl auf Toteninsel gefallen war, blieb dir wohl nichts anderes übrig? Wie hat sich die Lektüre nach so langer Zeit angefühlt?
Es war sehr interessant. Eine Mischung aus Stolz an den Stellen, die mir gefielen, und Qual an den Stellen, die ich heute anders machen würde. Vieles hatte ich vergessen. Überrascht war ich trotzdem selten, denn meistens verriet mir dann mein inneres Kreativzentrum, wie es jetzt wahrscheinlich weitergehen wird. Meine Art zu denken hat sich nämlich sehr wenig verändert.
Botschaft von Geisterhand sollte ursprünglich mit Geheimstiften als Gimmick verkauft werden - zu einer Zeit, als Die drei ???-Merchandise noch äußerst rar gesät war. Wie bewertest du die Auswüchse der Kommerzialisierung der drei ??? bis hin zu hochpreisigem Ramsch, der sammelwütigen Fans sehr viel Geld aus der Tasche zieht?
Grundsätzlich bestürzt mich diese Entwicklung, nicht nur auf Die drei ??? bezogen. Es gibt ja keine Marke mehr, die ohne dieses ganze Gedöns auskommt. In meinen Anfangsjahren wurde nicht einmal der Begriff "Marke" verwendet, da waren es einfach eine Buch- und eine Hörspielreihe. Jetzt geht beides im Berg aus Dingen und Events, die das DDF-Logo ziert, beinahe unter. Wo soll das alles hinführen, frage ich mich manchmal. Was wollen wir mit dem ganzen Zeug? Ging es nicht mal um etwas ganz anderes? Aber um der Wahrheit ins Auge zu blicken: Auch ich bin nicht zu 100% frei davon, gewisse Dinge einfach besitzen zu wollen. Ich stehe auf die Thalia-Socken. Aber ich bin, ehrlich gesagt, froh, nun nicht mehr mit meinen Büchern um Aufmerksamkeit buhlen zu müssen.
Apropos viel Geld: für ein Gewinnspiel auf der rocky-beach.com hast du uns im Sommer 2000 dein handschriftlich bearbeitetes Manuskript zu Das schwarze Monster als Hauptpreis zur Verfügung gestellt - neunzehn Jahre später tauchte es bei eBay auf. Ein Penny für deine Gedanken, als der Auktionshammer bei 545 € fiel?
Wow! Wie viel würde wohl Nacht in Angst erzielen?
Du warst anfangs der Hauptautor im noch kleinen Team. In der Zeit unmittelbar vor deinem Dreiteiler sind im Sommer 1999, im Frühjahr 2000 und im Sommer 2000 jeweils zwei neue Bücher von dir erschienen - wie hast du dieses Pensum bewerkstelligt?
Studium geschmissen, Nachtschichten eingelegt und alles zu Papier gebracht, was nicht bei drei auf dem Baum war.
Was ging dir am 24. August 2006 durch den Kopf?
Ich war nie ein Pluto-muss-ein-Planet-bleiben-Verfechter. Es ist halt Wissenschaft. Da müssen angesichts neuer Erkenntnisse manchmal Dinge neu definiert werden. Außerdem: Pluto ist ein großer Felsbrocken. Er hat keine Gefühle, die man verletzen könnte.
Aaron Moores Dämonenfeuer hat uns vor zwei Jahren den Anstoß zu unserem Aprilscherz gegeben, die gruselige Serie Geisterjagd in Rocky Beach anzukündigen, in denen die drei ??? es nun auch in wöchentlichen Romanheften mit einem spezialgelagerten Spuk zu tun bekommen. Nicht wenige haben beteuert, sie würden das sofort lesen wollen. Böse Zungen behaupten schon länger, manche Bücher seien vom Geschichtenfließband eines Jerry Cotton oder John Sinclair nicht mehr allzu weit entfernt. Wäre es da nicht konsequent, einen Pulp-Ableger zumindest auszuprobieren?
Meine herzensgute Zunge behauptet das gleiche: Die drei ??? sind in ihrer Struktur und in ihren Grundthemen zu nahe an Pulp, als dass ein Spin-off in meinen Augen Sinn ergäbe. Waren sie aber auch schon immer. Und daran ist gar nichts schlimm. Ich fand den Aprilscherz übrigens toll!
Du hast mal eingeräumt, Tödliche Spur unter erheblichem Zeitdruck runtergeschrieben zu haben. Dies hat den einen oder anderen Flüchtigkeitsfehler begünstigt, so dass beispielsweise der in Malibu angespülte Leichnam "heute aus dem Atlantik gezogen wurde". Komisch, dass selbst ein derart minimaler Schnitzer durch alle weiteren Auflagen und Ausgaben der Geschichte geistert, obwohl er leicht zu kaschieren wäre. Ist für nachträgliche Korrekturen in den Arbeitsabläufen einfach kein Raum oder verstieße das gegen irgendwelche Richtlinien, die festlegen, ab wenn ein Text erst inhaltlich ausgebessert wird?
Eigentlich werden Fehler in der Redaktion vermerkt und dann bei der nächsten Auflage oder Taschenbuchausgabe verbessert. Wenn dies bei Tödliche Spur nie passiert ist, bedeutet das nur, dass den Fehler nie jemand gemeldet hat. Also auch ich nicht. Ist mir wohl einfach durchgerutscht.
Im Steadman-Museum zelebrierst du die Einheit von Zeit, Ort und Handlung auf eine Weise, die Nacht in Angst zu einem Klassiker der Neuzeit werden ließ, der offenbar selbst dem eigenen kritischen Autor noch gefällt? So gelungen die Erzählstruktur auch ist: wieso verlässt der Plot am Ende doch noch das Museum und wird woanders beendet? Hätte sich der Safe mit dem echten Feuer des Mondes nicht ganz einfach anderswo in demselben Gebäude befinden können, beispielsweise im Museumsdepot?
Ja. Und auch die Star-Wars-Premiere ist mir ein Dorn im Auge. Sie zögert den Start der Handlung unnötig hinaus. Ärgerlich, denn von diesen beiden Punkten abgesehen ist es tatsächlich ein ziemlich gutes Buch.
Jelena! Sie wurde und wird seit Folge 121 von vielen schmerzlich vermisst. Wie kommt's, dass du das Potential dieser Figur nach einer Handvoll Geschichten fallengelassen und verschenkt hast, zumal sie den drei ??? wunderbar beiläufig zu etwas mehr Gender Balance und zu deutlich mehr Inklusion verholfen hat? Andere Serien wie z.B. Die Pfefferkörner sind diesbezüglich inzwischen viel weiter - und du hattest Jelena doch auch sehr gern?
Ich habe sie immer noch gern. Es drängte sich trotzdem nie ganz organisch und ohne Zwang auf, dass sie Teil einer Handlung wird. Und wann immer ich vorsätzlich handeln wollte - jetzt ein Jelena-Fall! - da entwand sich die Geschichte früher oder später dieser Prämisse und Jelena war wieder weg. Ich bedaure das sehr und glaube auch, dass da noch mehr zu erzählen gewesen wäre. Es ist bloß einfach nie passiert.
Auf der Wavedancer ermitteln die drei Detektive auf beengtem Raum unter zeitlichem Hochdruck - eine Finger- und Tentakelübung für Nacht in Angst?
Nein. Da sehe ich kaum eine Verwandtschaft.
Eigentlich könnte dein fünftes Buch ebensogut Geheimsache Internet heißen: deine Hommage an die revolutionäre und zu jener Zeit einzigartige Rocky Beach Homepage war zum einen ein Ritterschlag für all jene, die bereits vor dem Hype um den Band 100 die drei ??? online abgefeiert haben - zugleich befürchteten damals nicht wenige, dass mit Justus' Modem die Büchse der Pandora geöffnet werde ...
Wurde sie ja auch. Das Internet ist sowohl im echten Leben als auch im Storytelling Fluch und Segen zugleich.
Beim Schreiben von Die drei ???-Geschichten lauern am Wegesrand immer wieder Kalauer, die sich dem Autor geradezu aufdrängen, aber den Satz "Finster starrte er aus dem Fenster." müsstest du uns dann doch mal erklären?
Muss ich zum Glück nicht. Es wäre auch zu demütigend.
Dein eigentlich erster Jubiläumsband (Folge 75!) hat die rocky-beach.com dazu bewogen, mittels Umfrage alljährlich den Goldenen Raben zu verleihen, bis der Rechtsstreit auch dies durcheinanderwirbelte. Du hast im direkten Vergleich der neuesten Folgen und aller Autorinnen und Autoren stets so ziemlich alles abgeräumt, was abzuräumen war, mit Abstand. Das hat dir sicherlich geschmeichelt, führte aber auch zu einer Erwartungshaltung, sobald "ein neuer Marx" angekündigt wurde - war auch nicht gerade einfach, oder?
War es nicht. Wie oft hört man das bei Filmschaffenden oder MusikerInnen: Die frühen Sachen waren besser. Wie bitter das ist! Da sammelt man immer mehr Erfahrung und verbessert stetig sein Handwerk - und trotzdem liebt das Publikum nur das alte Zeug. Es war ein immenser Druck, gegen dieses Phänomen anzuarbeiten. Dieser Druck steht auf jeden Fall auf der Liste der sekundären Gründe, die mich zum Aufhören bewogen haben.
Gleich zu Beginn hast du mit dem brennenden Schwert ein heißes Eisen angepackt, wobei die zu Sekten und ihren Anhängern formulierten Aussagen fast schon prophetisch klingen: Sätze wie "Wer weiß, wozu sie in der Lage sind, wenn man sie in ihrer religiösen Ekstase stört ..." könnten auch die Fankultur rund um die drei ??? umschreiben. Du bist in den drei Jahrzehnten nicht immer nur über den grünen Klee gelobt, sondern auch von drei ???-Fanatikern und selbsternannten Gralshütern hart angegangen worden ...
Ja, gerade am Anfang. Jelena zum Beispiel, heute "schmerzlich vermisst" (s.o.), wurde mir phasenweise ganz schön um die Ohren gehauen. Menschen, die mich heute zu Vernissagen einladen, haben früher kein gutes Haar an meiner Arbeit gelassen. (Schöne Grüße! )
Als Poltergeist im Februar 1997 zeitgleich als Buch und als Hörspiel erschien, war Helmut Kohl noch Bundeskanzler, Sarah Brightman und Andrea Bocelli trällerten Time To Say Goodbye an der Spitze der deutschen Charts und wenige Wochen später forderte Bundespräsident Roman Herzog, durch Deutschland müsse ein "Ruck" gehen. Da war dank Poltergeist bereits ein Ruck durch Rocky Beach gegangen ... Für dich als Autor sind deine Bücher sicherlich ebenfalls Zeitgeschichte, aber wohl eher Zeitkapseln jener Tage, Wochen und Monate, in denen du sie geschrieben hast?
Ich müsste sie lesen, um das beurteilen zu können. Ich glaube aber nicht, dass sie besonders viel Lebensgefühl oder Biografisches "gespeichert" haben. Gelesene Bücher taugen vermutlich besser als Zeitkapseln als geschriebene.
"Das Telefon klingelte." Mit diesem alte Hörspielzeiten heraufbeschwörenden Satz begann dein erstes Buch. Und mit einem Telefonklingeln begann auch dein ganz persönliches Die drei ???-Abenteuer, als der Kosmos-Verlag auf einmal anrief, dich an das eingesandte Manuskript erinnerte und fragte, ob du nicht mal nach Stuttgart kommen könntest. War dir wirklich nicht klar, was man dir am Ende deines Besuchs in die Hand drücken würde?
Nein. Woher auch? Ich war gerade 23 geworden und hatte wirklich keine Ahnung, was mich erwartet. Es hieß ja auch nur: "Wir würden Sie gern mal kennenlernen." Ich dachte, das wird vielleicht so eine Art Bewerbungsgespräch, nach dem ich mich dann zwei Monate gedulden muss, bevor die schriftliche Absage kommt. Ich war wirklich vollkommen überrascht, als man mir am nächsten Tag einen Autorenvertrag in die Hand drückte.
"Das Telefon klingelte" ist übrigens einer meiner Lieblingssätze.
Standest du als Wunschkandidat No. 1 ganz oben auf der Liste oder warst du schlichtweg der erste, der Ja gesagt hat?
Soweit ich weiß, gab es keine Liste. BJHW hörte überraschend auf und ich war zufällig zur Stelle und in der Lage, von jetzt auf gleich die ersten vier Programmplätze zu füllen, bevor dann gemeinsam mit André Minninger und Ben Nevis ein Autorenteam gebildet wurde.
Manchen Personen hinter den Kulissen wird in der Editionsgeschichte der drei ??? gefühlt weniger Anerkennung zuteil und ihre Rolle wird zu selten erwähnt. Wem genau hast du und haben wir es zu verdanken, dass du mit deinem Manuskript in die engere Wahl zum Nachfolger von Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer kamst?
Das war die wunderbare Birgitta Barlet, die heute die komplette Programmleitung beim Kosmos-Verlag innehat. Damals war sie Volontärin und arbeitete an der Seite von Claudia Schuller in der Kinderbuchredaktion. Frau Schuller war im Urlaub, als meine ersten Briefe eintrudelten, und so kümmerte sich Frau Barlet um die Beantwortung meines Fragenkatalogs rund um Die drei ???. Wir schrieben uns Briefe. Später erzählte sie mir, ihr damaliger Freund hätte als Erster in Das versunkene Schiff reingelesen und ihr berichtet, das Manuskript würde sich anfühlen "wie früher". Es ist ein kleines Wunder, dass Birgitta Barlet immer noch bei Kosmos ist. Obwohl sie schon sehr früh andere Aufgaben übernahm und wir nicht mehr zusammenarbeiteten, bleibt sie eine ganz besondere Bezugsperson für mich.
Dein Kumpel, zu dessen Geburtstag du dich an einer eigens geschriebenen Die drei ???-Geschichte versucht hast, hält die Urfassung des versunkenen Schiffs hoffentlich in Ehren?
Wehe nicht!
Wann genau und wie sind dir im Studentenalter die drei ??? wieder über den Weg gelaufen? Auf dem Flohmarkt? Auf dem Dachboden deiner Eltern? In der Buchhandlung? Im Plattenladen? Im Hörsaal?
Im Kinderzimmer meiner Freundin Tanja, die mir sehr freimütig erzählte, sie würde die Kassetten immer noch zum Einschlafen hören. Außerdem schwelgten mein Kumpel Ströh und ich in alten Erinnerungen und fragten uns, welche Geschichten rund um Justus, Peter und Bob man wohl heute erzählen könnte.
Für einige Jugendjahre hattest du Justus, Bob und Peter tatsächlich aus den Augen verloren? Wurde deine Die drei ???-Sammlung leichtfertig verscherbelt oder während der pubertären Irrungen und Wirrungen wie ein vergrabener Schatz vergessen?
Zwischen 14 und 19 spielten Die drei ??? keine Rolle in meinem Leben. Und meine Sammlung (die allerdings überschaubar und längst nicht komplett war) landete auf dem Flohmarkt! Mit Mitte zwanzig hatte ich sie dann wieder zusammengesammelt.
Wie viele Bücher und Hörspiele hattest du in deiner ursprünglichen Sammlung? Vom Taschengeld gekauft oder geschenkt bekommen?
Meine Kindheitssammlung war viel kleiner, als man annehmen könnte. Vielleicht zwölf Hörspiele und ein einziges Buch. Das meiste habe ich mir (immer und immer wieder) aus der Bibliothek oder von Freunden geliehen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit hatte ich erst, als ich mit dem Schreiben anfing.
Du scheinst als Leseratte sehr viel weggeschmökert zu haben und die drei ??? können nicht alles gewesen sein. Welche Kinderkrimis und Detektivgeschichten standen bei dir noch hoch im Kurs und welche haben dich maßgeblich geprägt - und sei es als abschreckendes Beispiel?
Alles von Enid Blyton, wobei mir die Fünf Freunde am liebsten waren. Burg Schreckenstein habe ich ebenfalls geliebt, die ja durchaus auch Detektivelemente haben. Davon abgesehen war ich aber nie ein ausgesprochener Krimi-Leser und bin es bis heute nicht.
Spielten die drei ??? in der Schule irgendeine Rolle? Habt ihr die Hörspiele im Kunstunterricht gehört? Wurden deine Bücher konfisziert, weil du sie unter der Schulbank gelesen hast?
Für Hörspiele im Kunstunterricht bin ich zu alt. Solche Freiheiten wurden uns noch nicht gewährt. Und ich habe auch nicht unter der Schulbank gelesen, dafür war ich viel zu brav. Insofern beschränkten sich alle Rocky-Beach-Aktivitäten auf die großen Pausen und die freien Nachmittage, da wurden dann mit Freunden die neuen Folgen getauscht, nachgespielt und weitergesponnen.
Hat der kleine André schon damals versucht, eine eigene Die drei ???-Geschichte zu schreiben?
Ich habe sie nicht aufgeschrieben, aber sie waren in meinem Kopf. Eines meiner liebsten Freizeitvergnügen war es, Folge 29 zu hören und mir zu der Musik neue Geschichten auszudenken. Damit konnte ich ganze Nachmittage verbringen. Es war in gewisser Weise die wichtigste Folge für mich. Ohne Folge 29 wäre ich vielleicht niemals Autor für Die drei ??? geworden.
Wem hattest du als Dreikäsehoch deinen Erstkontakt mit den drei ??? zu verdanken?
Meinem älteren Bruder, der sich die Bücher immer in der Kirchbücherei ausgeliehen hat, um sich dann für den Rest des Tages dahinter zu verschanzen - sehr zu meinem Missfallen. Wie diese schwarzen Bücher interessanter sein konnten, als mit seinem kleinen Bruder zu spielen, war mir ein großes Rätsel.
Am Ende unseres Rückwärtsgangs sind wir nun wieder am Ausgangspunkt angelangt: Wie ist es heute um deine eigene Kindheit in Rocky Beach bestellt? Sind die von dir so geschätzten und sorgsam gehüteten kindlichen Vorstellungen noch intakt und konntest du dir - trotz allem, was du als Erwachsener in Rocky Beach selbst geschaffen und erlebt hast und bisweilen auch hinter den Kulissen mitbekommen musstest - die ganz alten, nostalgischen Erinnerungen bewahren?
Ich bin froh, sagen zu können: Ja, das konnte ich. Ich musste allerdings einen hohen Schutzwall errichten, um das zu erreichen.
Da der letzte Satz auch bei den drei ??? eine Kunst für sich ist ("Er hat es für mich getan."), wäre nun deinerseits der letzte Punkt zu machen - du kannst ihn auch gerne mit einem Fragezeichen versehen!
Da ist er wieder, dieser Erwartungsdruck. Aber ich beuge mich ihm nicht mehr und sage daher bloß: Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Es war ein großes Abenteuer.
Die Fragen stellte das Team der rocky-beach.com.
Weiterführende Links:
André Marx im Interview mit Sven Stricker, 19.09.1997
Fragebox mit André Marx, 02.1999-07.2002
Septemberbox mit André Marx, 09.2003
125 Fragen an André Marx, 08.2005-11.2005
Interview mit André Marx, 10.2006
Interview mit André Marx, 09.2018
Podcast Rescherschen und Arschiv / Special: Interview mit André Marx, 18.05.2019
Podcast Detektivkollegen-Podcast / Interview mit Drei-???-Autor André Marx u.a. zu seinem Aufhören, 05.01.2025
Podcast Diggytalk / André Marx - Rücktritt bei den Drei ???, Neues zum Karpatenhund-Film, 10.01.2025
Podcast Die Zentrale / Interview mit André Marx, 08.04.2025
zum Marx-Special

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