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Interview mit Prof. Dr. Andreas Beurmann und Heikedine Körting
Interview mit Prof. Dr. Andreas Beurmann und Heikedine Körting
+++ 22.11.2002 +++


Im Rahmen der Recherchen für seine musikwissenschaftliche Diplomarbeit führte Nicolas Haaf ein Interview mit Herrn Prof. Dr. Beurmann und Frau Körting, welches im Anhang seiner Arbeit untergebracht ist.

Meine erste Frage bezieht sich darauf, wie Sie dazu gekommen sind, Kinderhörspiele zu produzieren. Das ist ja nicht so eine ganz alltägliche Sache.
Beurmann: Ich bin ja der Firmengründer mit einem Freund zusammen und wir haben hier sehr viel Musik gemacht - klassische Musik, Pop-Musik, Rockmusik und Unterhaltungsmusik, die war damals sehr erfolgreich. Naja, auf jeden Fall, habe ich dann eine Marktlücke entdeckt: Kindergeschichten. Ich kannte die Produktionen von der Deutschen Grammophon. Da dachte ich, das können wir besser machen, und dann sind wir da eingestiegen, und das ging eigentlich ziemlich schnell von Anfang an gut los.
Wann fing das ungefähr an?
Beurmann: '65 war das.
Das war die Zeit, in der die ersten Kinderhörspiele entstanden sind?
Beurmann: Ja, richtig. Und zwar zuerst habe ich Märchen gemacht.
Körting: Im Prinzip waren das Lesungen, also das, was man heute wieder macht.
Beurmann: Nein, nein, richtige Hörspiele schon, von Anfang an. Allerdings, das Erste, was ich gemacht hatte, waren Lesungen mit Hans Paetsch. Gleichzeitig sind wir dann voll eingestiegen in die Kinderproduktionen und haben Hörspiele gemacht - Märchenhörspiele, Karl May, usw. Dann hatte ich das große Glück, meine jetzige Frau kennenzulernen, damals waren wir nett befreundet. Sie hat gesehen, was für Sachen ich so machte.
Körting: Und dann haben wir das zusammen gemacht (lacht).
Und Sie, Frau Körting, waren auch von Anfang an dabei mit den Hörspielproduktionen?
Körting: Nein, nicht von Anfang an. Also, ich habe erst '69 meinen Mann näher kennengelernt, und eigentlich so seit '70, '71 habe ich dann richtig mitgemacht. Anfänglich habe ich Geschichten geschrieben oder umgeschrieben, welche dann zum Teil auch umgesetzt wurden. Dann habe ich mich immer mehr hineingedrängelt und vieles selber mit übernommen.
Beurmann: Lassen Sie mich ruhig sagen, Sie hat es auch am Besten gemacht!
Und wann haben Sie Ihr erstes Hörspiel produziert?
Körting: Also, mein allererstes Hörspiel ... Ich meine, das war '69, '70: Die kleine Seejungfrau aus Andersens Märchen.
Wie sieht denn Ihre Rolle als Produzentin aus? Wie funktioniert das eigentlich, wenn Sie ein Hörspiel produzieren?
Körting: Also, damals war ja mein Mann der Produzent, ich war erst mal Schreiber, Hörspielschreiber, und später Regisseur. Und da habe ich natürlich bestimmte Maßgaben gekriegt. Also, einerseits sollten die Kinderhörspiele durchaus dramatisch, spannend, humorvoll werden, andererseits sollten sie auch irgendwie erzieherisch wirken. Insofern mußte ich folgendes beachten: nur schönstes Hochdeutsch; nur schöne Musik; die Szenen, insbesondere für kleinere Kinder, sollten nicht länger als drei bis fünf Minuten sein - das sind bestimmte Zyklen, nach denen die Kinder dann eine Ausruhphase brauchen.
Da gibt es richtige Vorgaben?
Körting: Ja, gab es. Bis dann die großen Erfolge kamen mit den "Drei ???". Ich würde mal denken, das war meine Spezialität, daß wir wirklich das Ganze dramaturgisch durchgespielt haben.
Das soll heißen?
Körting: Das soll heißen, wir haben nicht mehr nur einen Erzähler die spannenden Sachen sagen lassen. Z.B. bei einer Aktion sagte der Erzähler: "... rannten die drei ... und verfolgten den Mann ..." Da fing unsere Spezialarbeit an: Wir sind selber durchs Haus gerannt. So haben wir praktisch alles durchgestaltet. Das ist das, was so mühsam ist. Die Sprachaufnahmen sind ja gar nicht so problematisch, das Problematische ist dann, das Hörspiel so hinzukriegen, daß man wirklich sagen kann: "Augen zu, Ohren auf, Film ab!"
War das eine Sache, die insgesamt neu war, daß man konsequent eine Geräuschdramaturgie gemacht hat?
Körting: Ja, ich denke mal, das war neu. Ich habe das vorher nie so gekannt. Wir haben früher englische und französische Sachen besorgt, die haben sich sowieso im Wesentlichen, fast bis heute, aufs Vorlesen beschränkt, was heute das Hörbuch ist. So war das bei anderen Firmen auch. Es gab nachher immer mehr, die es auch in dem Stil versuchten, aber ich würde mal denken, das war zuerst unsere völlig eigene Geschichte.
Das war die Sache, die mit den "Drei ???" Ende der Siebziger begann?
Beurmann: Da waren erst mal noch "Hui Buh, das Schloßgespenst"; "Die Hexe Schrumpeldei", ich weiß nicht, ob Sie das kennen.
Also, "Hui Buh" kenne ich noch. Ich bin ja mit diesen Hörspielen groß geworden.
Körting: Die sind ja auch wieder auf den Markt gekommen. Aber das ist dann auch das klassische Hörspiel eben: Erzähler, Szene, Erzähler, Szene ...
Verstehe. Wie entsteht denn so ein dramaturgisches Konzept von einer Hörspielproduktion?
Körting: Also, es ergibt sich einmal aus dem Stoff selber: Das Buch gibt natürlich die Geschichte vor. Früher gab es ja nicht so viele technische Mittel - da haben wir wirklich Tage und Nächte alles durchgespielt, und dann haben wir natürlich auch gleich Musiken dazu gemacht. Also, viele Geräuschszenen sind ja mit Musiken untermalt, um sie dramatisch zu machen.
Und wie sieht das heutzutage aus? Sie haben ja schon quasi eine richtige Tradition ...
Körting: Ich mache es im Wesentlichen immer noch so. Ich bin immer mal wieder zurückgehalten worden - inzwischen gibt es ja auch andere Eigentümer ... Wir haben mal Versuche in die Richtung des gelesenen Buchs gemacht, aber das ist nicht mein Ding. Ich habe es ja auch von Schauspielern zum Teil bestätigt bekommen, wie von Peer Schmidt damals: Der legt sich, hat er mir mal gesagt, mit Perry Rhodan auf die Couch, mit Kopfhörern, und hat das Gefühl, das Ganze spielt auch, wie im Kino.
Beurmann: Die Konkurrenz hat es ja dann auch nachgemacht: Die hat unsere Sachen total übernommen, sogar unsere Besetzungen, soweit ist das gegangen.
Körting: Aber es ist witzigerweise nie im Ausland gemacht worden. Es gab dieses Hörspielphänomen in der übrigen Welt nicht. Also das, was es bei uns vor 25 Jahren gab, und was jetzt wieder aufgelebt ist. Und ich denke mal, das liegt daran, daß zu der Zeit die Mütter in Deutschland ihre Kinder noch nicht so viel haben fernsehen lassen. Und dann kam der Umstieg von der Schallplatte auf die Kassette, da hat jede andere Firma den 1½-fachen Preis genommen. Mein Mann hat sofort den gleichen Preis wie bei den Schalplatten durchgesetzt, obwohl die Kassette damals viel teurer in der Herstellung war. Und dann gab es Kassettenrecorder, und jedes Kind hatte seine zehn Kassetten.
Beurmann: Wir haben uns dann auch noch ins Ausland begeben. Wir haben Frankreich gemacht, Dänemark, Italien, Holland - auf Schweizerdeutsch sogar.
Was waren denn das genau für Hörspielfolgen, auch die bekannten?
Körting: Nein, das waren im wesentlichen Märchen, Kindergeschichten. Also, die Fragezeichen, TKKG oder unsere Gruselgeschichten, die haben wir nie für ein anderes Land gemacht, außer für den deutschsprachigen Raum.
Darf ich noch eine Frage zu der Produktionsweise stellen, also das ist mehr ein - sagen wir mal - "work in progress"...?
Körting: Das ist Intuition!
Es entsteht während der Produktion?
Körting: Ja.
Also, es ist nicht so, daß Sie sich von vornherein das alles genau im Kopf ausmalen?
Körting: Doch! Wenn man ein Manuskript schreibt, ist im Manuskript schon minutiös angegeben, wie es sein soll.
Also, da steht auch drin, wenn eine Tür aufgeht ...
Körting: Atmen, Schritte, Tür auf, Durchgehen ... Atmosphärenänderungen.
Das machen Sie dann?
Körting: Das machen wir dann. Inzwischen habe ich ja auch Mitarbeiter.
Und arbeiten Sie dann auch ganz konkret mit den Autoren der Romanvorlagen zusammen?
Körting: Ja. Also bei Hitchcock ging es natürlich nicht, das ging ja direkt über den Kosmos-Verlag. Aber bei Kosmos sind ja jetzt einige der Autoren aus der Generation der Hörspielhörer, wie z.B. André Minninger und André Marx, und die schreiben inzwischen Bücher, und mit denen habe ich natürlich direkten Kontakt. Manche Autoren richten ihre Sachen gerne für Hörspiele ein, und wir machen das dann gemeinsam. Einige haben auch gar keine Zeit und sagen: "OK, kommt, nehmt einen bewährten Bearbeiter".
Und wie ist es mit der Musikauswahl für Hörspiele, wie wird die getroffen?
Beurmann: Ja, also, das habe ich am Anfang hier nun alles selbst gemacht - und jetzt teilweise auch noch. Ich hatte ursprünglich mal den edukativen Faktor im Kopf.
Das soll heißen?
Beurmann: Das soll heißen, wir versuchten Musik - sprich klassische, romantische Musik - von höchster Qualität einzusetzen. Ich habe ein Riesen-Archiv dafür, alles selbst aufgenommen mit großen Orchestern, eigentlich in der ganzen Welt.
Körting: Also, bei Märchen, da gibt es z.B. den Hochzeitsmarsch. Das ist für die damals kleinen Kinder die "Dornröschenmusik" gewesen, das hat sich dann im Kopf festgesetzt.
Kann man sagen, es gab schon damals ein bestehendes Archiv an Auswahlmöglichkeiten?
Körting: Ja.
Beurmann: Ja.
Und wie funktioniert das dann, wenn Sie ein Hörspiel haben und Musik dazu kommen soll, haben Sie schon vorher im Kopf, welche Musik wohin soll?
Beurmann: Ja, zum größten Teil schon; ich meine, Sie wissen es ja selbst als Musiker: Man hat da also - ich weiß nicht - mindestens zehn- oder zwanzigtausend Stücke im Kopf. Dann weiß man sofort: Bumm, bumm, bumm, bumm, bumm! Das kommt rein, so kann man das machen.
Körting: Und dann paßt man es aber an. Was ganz erstaunlich ist: zu Hans Paetsch, da paßte jede Form von Musik. Der hatte eine solche Stimme, das ging nie gegen den Rhythmus. Ein sehr guter Sprecher, wie heute Mackensy; da kann man eine noch so schöne Musik aussuchen - und sie paßt nicht! Sie geht gegen den Rhythmus.
Wie meinen Sie das: "gegen den Rhythmus"?
Körting: Also, das heißt, es gibt Sprachmelodien, da paßt sich eine Musik an ...
Beurmann: Da gibt es Sprecher, die haben keine musikalische oder musische Sprache, da paßt einfach keine Musik, da paßt kein Rhythmus rein.
Körting: Bei "She-Ra" oder solchen Serien, da hat sich mein Mann aus vielen, vielen Musikteilen einzelne "Bobbies" gemacht: "Das ist der Löwe, das ist die Prinzessin, das ist das, das ist das, das ist das ..."
Quasi leitmotivisch?
Körting: Das ist leitmotivisch!
Beurmann: Á la Richard Wagner in modern!
Ist das bei jeder Hörspielserie so ähnlich?
Körting: Letztlich ja. Wenn man weiß, daß man eine Serie macht - bei Einzelproduktionen ist das etwas anderes - dann macht man sich erst einmal ein richtiges Konzept: "Die Sternchen kriegen das, die Wichtel das, die Monster das ..." Und dann muß man natürlich beim Überspielen und Einspielen auch noch sehen, daß es auch wirklich so passt, wie man sich es vorgestellt hat.
Sie greifen immer wieder auf ein schon bestehendes Musikarchiv zurück oder lassen Sie auch mal Sachen konkret schreiben?
Körting: Ja, immer noch.
Titelmelodien wahrscheinlich auch.
Körting: Titelmelodien - aber auch Musiken, die einfach zum Stil eines Hörspiels passen.
Beurmann: Wir haben große Orchester engagiert, die London Philharmoniker, für Kindermusiken, für Hörspielmusik - das hat keine Firma gemacht. Wir haben Musik schreiben lassen und dann spielen lassen - in wahnsinnig teuren Aufnahmesitzungen. Sie können sich vorstellen, was das kostet - ein 100- bis 150-Mann-Orchester. Wenn man unsere jetzige Musik nimmt, da sind gewisse Schwierigkeiten bei der Einpassung für die Sprecher: diese Schlagzeuggeschichten "tsch-tsch-tsch" (imitiert Schlagzeug) liegen so in dem Sprachbereich drin, daß es sehr schwierig ist, da etwas zu erfinden, um es auseinanderzuhalten. Dagegen: Kontrabässe, Celli, Bratschen - die passen wunderbar zu jeder Sprache. Aber sobald da "tsch-tsch-tsch" hereinkommt, kann man es nicht mehr unterlegen. Man kann es zwar als Zwischenmusik einsetzen, was wir dann ja auch machen, aber wenn es unter Sprache gelegt wird, dann ist es sehr schwierig.
Körting: Also, meistens ist es so, daß wenn man mit dem Komponisten zusammensitzt, mit einem Musiker oder direkt mit einer Band, dann kriegen die eigentlich immer das komplette Manuskript und versuchen dann selber zu fühlen, was richtig sein könnte. Manchmal paßt es dann, manchmal nicht so sehr. Dafür hat man dann halt ein Archiv. Ein solches Archiv setzt sich zusammen aus, wie gesagt, der ganzen Klassik über Popmusik, Rockmusik bis hin zur Sologitarre, Mundharmonika, bis zum Nagelklavier - aus allem. Und auch aus selbstgebastelte Sachen. Also, sehr viel haben wir auch immer selber gemacht, indem man musikalisch alles mißbraucht hat - ob man nun in die Klaviersaiten Picker hineinwirft - was man jetzt mit Synthesizern schön machen kann; oder auf Gitarrensaiten gequietscht, das haben wir früher gemacht, diese ganzen Gruselgeräusche ...
Beurmann: ... mit mechanischen Musikinstrumenten ...
Körting: ... oder wir haben uns für Karl May hingestellt und haben Indianer imitiert ...
Beurmann: ... die Gesänge! Teilweise haben wir auch Originale genommen aus der Library of Congress, da gibt es ja mindestens 80 Aufnahmen aus der Zeit um 1900 von originalen Indianergesängen, wunderschöne Sachen teilweise.
Körting: Naja, und dann braucht man ja auch Sachen wie Turmbläser oder dies oder das.
Haben Sie das Archiv auch nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet - wie z.B. nach Gruselhörspielen?
Körting: Ein bißchen. Eine Weile habe ich, als wir mal sehr, sehr viel gemacht haben, alles herausgesucht, was sich gefährlich anhört, was schnell ist, Verfolgungsmusiken, liebliche Musik: Sie sind im Wesentlichen alle durchsortiert.
Nach ihrer dramaturgischen Einsetzbarkeit?
Körting: Das ist schon wichtig, ansonsten fällt es auch schwer, darauf zuzugreifen.
Welche Funktion hat Musik innerhalb des Hörspiels für Sie? Ist das ein ganz wichtiger Bestandteil, oder ist das mehr so ein Beiwerk?
Körting: Musik ist total wichtig. Also, wenn ich z.B. etwas mit Geräuschen mache, irrsinnig fleißig daran arbeite, eine Sauarbeit habe, dann ist das noch lange nicht so effektiv wie irgendeine passende Musik. Und so schön ist dann das Zusammengemischte, daß man längere Phasen ohne Sprache mit einem kleinen bißchen Geräusch gestalten kann - also, es gibt nichts Intensiveres als Musik. Musik ist mindestens so wichtig wie die Stimme des Hauptsprechers. Das sieht man ja auch bei den Fragezeichen, wie da die Hörer reagierten: das Geschimpfe und Gemeckere, als wir die Fragezeichen eine Weile nicht mehr so auf den Markt bringen konnten, wie früher. Sie hatten sich so an diese Musik gewöhnt, die war im Ohr - das war für sie unverständlich. Das dauerte auch eine Weile, bis wir neue Elemente hatten.
Sie haben gerade die "Drei ???" erwähnt. Haben Sie eigentlich mit dem Erfolg gerechnet, daß die Serie so einschlägt, daß das so ein Kult wird?
Körting: Das kann man eigentlich gar nicht.
Beurmann: Das gab es ja vorher gar nicht, das war nicht vorraussehbar in diesem Sinne.
Körting: Doch, ein bißchen. Wir hatten ja in der Zeit, als wir mit den Fragezeichen anfingen, schon Millionenverkäufe an Kinderliedern und anderen Geschichten. Und damals hatten wir ein bißchen diesen Nimbus im Kinderbereich. Aber die feineren Familien, die sagten: "Naja, das ist die sogenannte Billigschallplatte", obwohl sie selber welche besaßen und auch gern hatten. Und ich hatte das Gefühl, daß wir mit den "Drei ???" den Einstieg in diesen Jugend-High-Price-Bereich hatten. Sie wurden zwar nicht zum high-price verkauft, sondern zum low-price, aber mindestens von der Qualität des high-price - weil es eben die Story von Hitchcock war und auch mit einer irrsinnig tollen Besetzung herauskam.
Beurmann: Und das war übrigens eine ganz generelle Sache von mir und unserer Firma: daß trotzdem, obwohl wir ja billig verkauften - 5 Mark kostete damals eine LP - die Qualität absolut das Beste sein mußte. Die Grammophon war ja immer das hohe Vorbild mit 32 Mark pro LP.
Was, damals?
Beurmann: Damals, ja.
(ungläubig)Was?
Beurmann: Ja, sicher.
Körting: Die hatten schon solche Preise wie heute.
Beurmann: Wir wollten diese Qualität für 5 Mark haben. Wir haben die Qualität für 5 Mark herausgebracht. Wir haben die besten Orchester, die man sich vorstellen kann, die besten Dirigenten, die besten Solisten gehabt. Und es ist dann allmählich vom Markt sehr anerkannt worden.
Körting: Genau, das Publikum hat es besser gefunden als die Presse. Oder z.B.: Da haben mich die Lehrer alle niedergemacht und gesagt: "Bah! Billigproduktionen - die hauen das so zusammen!" Und ich würde mal sagen, niemand hat soviel Studiozeit zur Verfügung gekriegt wie ich. Ich hätte 200, 500, 800 Stunden im Studio arbeiten dürfen - das hätte niemand verboten. Oder wenn wir etwas gemacht hatten, was einem nicht so richtig gefiel, das ging dann in die Tonne, wurde neu gemacht. Das ging in anderen Firmen nicht. Die buchten ein Studio - 2 Tage, 3 Tage, 5 Tage Studiokostenzeit. Mein Mann hat seine Studios immer selber gebaut, und dann haben wir eben so lange an den Aufnahmen gefeilt, bis sie fertig waren. Wir haben unverhältnismäßig fleißig daran gearbeitet - ja gut, Fleiß alleine nützt nichts, wenn die Story nicht stimmt, die Musik nicht stimmt, die Geräusche nicht stimmen, die Sprecher nicht stimmen, da kann ich so fleißig sein, wie ich will. Aber ich denke mal, daß die Kinder, die das damals gehört haben, schon mitgekriegt haben, daß es minutiöser war. Also, wenn man jetzt z.B. "Am Morgen vorgelesen" nimmt - das hört man sich vielleicht zweimal oder dreimal an. Einmal will man das spannende Thema haben, einmal will man vielleicht die Machart haben. Aber die Hörspiele, die haben die Kinder früher hundertmal oder mehr gehört, weil immer etwas darin versteckt war. Ach, und was haben wir früher waschtonnenweise Post gekriegt, Manuskripte und Musiken zugeschickt gekriegt! Jeden Tag Berge von Kinderkassetten, Bilder zu den Kassetten. Also, ich denke mal, daß diese vielen kleinen Sachen, aus denen sich die Hörspiele zusammensetzen, einfach tiefer ins Hirn, tiefer ins Gefühl gehen als andere. Insofern sieht man ja jetzt auch, daß bestimmte Sachen sehr erfolgreich geworden sind, und bestimmte Sachen nicht wieder aufleben. Gerade in der Zeit der "Drei ???", als der Boom so hoch war, da wurde ja massenhaft produziert - aber da fehlt dann manchmal doch das entsprechende Detail, die Liebe, die sorgfältige Stoffauswahl. Da wurde alles genommen, was im Fernsehen berühmt wurde, was es als Buchserie gab. Und ich denke, das ist bei den "Drei???" nicht ganz dasselbe - es ist einfach eine besondere Güte darin.
Sie haben vorhin erwähnt, Sie wollten mit wenig Geld mit den high-price Produkten mithalten. Wie äußert sich denn die Qualität eines high-price-Produktes eigentlich genau?
Beurmann: Da wollen wir erst einmal anfangen bei der Fertigung, da gibt es überhaupt keine Unterschiede. Wir haben die modernsten Maschinen, teilweise bessere Maschinen als Telefunken oder die Grammophon. Wir hatten immer das Neueste aus den USA gekauft. Das Mittel kam einfach daraus zustande, daß wir diese Serien mit großen Stückzahlen verkauften. Wir haben nicht viel daran verdient, aber weil wir diese Stückzahlen verkauften, waren wir trotzdem in der Lage, dieses alles zu beschaffen.
Körting: Also, man kann zu dem High-Price-Bereich der Kinder sagen: Die Märchen sind ja alles urheberrechtsfreie Geschichten, da haben wir also lizenzfreie Stoffe bearbeiten können. Und die "Drei ???" hatten ihrerzeit einen sehr hohen Preis, der an die USA und an Deutschland, an den Verlag, bezahlt werden mußte, also eigentlich gemessen an dem Preis, zu dem sie verkauft wurden, viel zu hoch. Aber dadurch, daß die verkauften Stückzahlen das wieder auffingen, war das machbar. Zuerst war das also wie mit den Karl May Stoffen, an die jeder herankommen konnte, und die wurden auch von allen gemacht, während es die Fragezeichen ja nur von EUROPA gibt.
Sind Sie damals mit dem Buchverlag in Verhandlung getreten, oder war es der Buchverlag, der an Sie herantrat?
Körting: Nein, wir waren zuerst dran. Also, mir war als allererstes das Buch "Der schreiende Wecker" in die Hände gefallen. Den Wecker habe ich ja dann auch selber geschrien.
Ach was.
Körting: Ja, alle Monster habe ich immer selber gemacht. Blacky, der Papagei, bin ich.
Den Schrei habe ich noch im Ohr. Das ist doch verrückt: Es gibt viele Leute, denen ich von der Arbeit erzählt habe, und die können alle die Melodien von damals vorsingen.
Beurmann: Das zeigt, wie oft es gehört wurde. Wir kennen viele Kinder, die können das total auswendig. Die haben das bestimmt hundertmal gehört.
Körting: Waren Sie denn zufällig mal bei dem Vollplaybacktheater?
Ja, war ich.
Körting: Das war doch irre, was die Leute alles wußten! Ich wurde ja einmal zufällig herausgefischt auf die Bühne - nicht, weil die mich erkannt hätten - und da gab es so ein Preisspiel. Also, da hätte ich, obwohl ich es ja selber produziert habe, längst nicht alles beantworten können, was die Fans wußten.
Es war also damals Ihre Idee, die "Drei ???" ins Programm zu nehmen?
Körting: Ja, und wir haben dafür auch lange gekämpft. Wir haben über zwei Jahre gebraucht, bis wir überhaupt an die Rechte herangekommen sind. In den USA hielt Random House die Rechte, und es war sehr, sehr spröde und schwierig, in Verhandlungen zu kommen.
War das die erste Jugendbuchserie, die Sie ins Programm nahmen?
Körting: Nein, vorher hatten wir schon ganz viel mit Schneider gemacht. Mit Franz Schneider selber hatte mein Mann eine gute Freundschaft. Also, "Hanni und Nanni", das waren auch alles Lizenzbücher, auch schon nicht ganz billig: Die Fragezeichen haben das aber noch getoppt.
Was meinen Sie genau, was die "Drei ???" von anderen Serien unterscheidet, daß sich der Erfolg so lange gehalten hat? Die Produktionsweise haben Sie schon erwähnt ...
Körting: Ich denke mal, durch die Themenwahl, insbesondere bei den ersten Folgen - und jetzt auch wieder ein bißchen. Als die ersten Folgen in Deutschland geschrieben wurden, finde ich, ist es abgefallen. Da waren die Fragezeichen auch eine ganze Weile nicht so erfolgreich. Und hat vielleicht der Verlag zu sehr auf TKKG geschielt. Da fingen die mit Geschichten an, die man auch in der Zeitung lesen könnte. Die Stoffwahl bei den Fragezeichen, auch dieses Mitmachen, dieses Mitraten - es sind für mich immer noch die schönsten Folgen, wo man Teile von Gedichten kriegt und sie Stück für Stück zusammensetzen kann. Ich denke schon, daß die Themenwahl ein Grund für den Erfolg ist, und dann auch mein Glück, doch einen Super-Treffer gemacht zu haben mit der Besetzung von Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, die einfach als Kinder schon hinreißend waren und sich dann auch in ihrer Art und Weise weiterentwickelt und gut gehalten haben. Da ist bei allem auch immer ein bißchen Glück dabei. Als ich damals die ersten Bücher in die Hände kriegte, fand ich, daß es so etwas noch nicht gegeben hatte.
Das war Ihnen schon damals klar, daß das etwas ganz Besonderes ist?
Körting: Das war ganz klar. Das war einfach besser vom Niveau her. Aber eben nicht nur ein Niveau, was jetzt z.B. nur eine bestimmte upper class anspricht, sondern auch alle anderen. An der Fanpost kann man das auch sehen. Also, wahnsinnig, wie die Kinder das anregt, mitzudenken, Fehler zu suchen! Viele Fehler sind ja drin! Dann muß ich immer sagen: "Das haben wir extra gemacht!" Z.B. beim "Super-Papagei" , wo das Nummernschild 3-1, 1-3 vorkommt. Einmal heißt es 1-3, und einmal heißt es 31, und einmal heißt es 13. Und das haben mindestens 1000 Kinder geschrieben: "Du hast da einen Fehler gemacht!" - bis heute. Den haben wir dann später korrigiert. Aber die Kassette, die auf dem Markt ist mit dem Fehler, die ist viel wertvoller.
Das glaube ich.
Körting: Sie werden ja zu Preisen gehandelt, das ist unglaublich.
Die Entscheidung, das Cover der Buchvorlage zu übernehmen, wurde bewußt getroffen?
Körting: Ja, ganz bewußt. Wenn man diese Bücher in den USA sieht, die "Three Investigators", die sind ja grottenlangweilig! Also, ich würde mal denken, ein ganz großer Erfolgspunkt, daß unsere Fragezeichen so anziehend wurden, ist eben die Malerin, Aiga Rasch. Mit diesem Stil, dem schwarzen Rahmen, und den dreifarbigen Fragezeichen, also drei unterschiedliche Charaktere - das ist schon toll.
Es gibt ja diese Buchserie und diese Hörspielserie - das sind fast zwei Parallelwelten geworden.
Beurmann: Es war uns oft ganz peinlich: Wenn der Verlag auf der Buchmesse in Frankfurt erzählte, was die an Umsätzen gemacht hatten, sind wir ganz still geworden, weil wir mindestens zehnmal so hohe Umsätze hatten.
Körting: Ja, das gab nachher tatsächlich ein bißchen Probleme, daß die Verlage nicht so glücklich darüber waren. Die hatten immer so ein bißchen das Gefühl, daß das Buch nicht gelesen wird, weil es die Kassette oder die Schallplatte gab. Das konnte ich an Kindern, mit denen ich arbeite, feststellen, daß die Kinder gar nicht in der Lage waren, anständig zu lesen.
Beurmann: Wie oft haben wir Kinder erlebt, die im Studio saßen und buchstabierten, aber gar nicht wußten, was sie eigentlich gelesen hatten.
Körting: Es hat nie so viele Legastheniker gegeben wie in den 80er, 90er Jahren. Naja, aber weil Sie ja über die Musik schreiben: ohne Musik ist das Ganze nicht die Hälfte wert - das ist schon dramaturgisch super-wichtig. Vielleicht ein zusätzlicher Erfolg unserer Geschichte ist, daß mein Mann mir total freie Hand gegeben hat, daß ich aus meinem Bauch heraus entscheiden durfte. Das sind Dinge, die Sie mit einem Computer nicht machen können. Als wir später mehr und mehr wurden, habe ich nicht das Gefühl gehabt, daß irgend etwas besser wurde. Es wurde viel zerredet ... wir haben neue Chefs gekriegt, die gar nicht begriffen hatten, warum unsere Sachen vielleicht so besonders beliebt sind. Und es ist der allergrößte Verdienst meines Mannes, daß wir letztlich machen durften, was wir wollten.
Beurmann: Weil es sehr gut war, sonst hätte ich es gestoppt.
Körting: Naja, ich denke schon, daß das maßgeblich ist. Und wir haben bis jetzt einen super-herzlichen Kontakt zu allen Schauspielern. Damals, als wir mit den "Drei ???" gearbeitet haben, da haben die bei uns auch geschlafen, dann waren die mal ein ganzes Wochenende für eine Aufnahme da, wir sind sogar zwischendurch mal segeln gegangen ... Also, den persönlichen Kontakt zu den Sprecher, den Autoren, zu allen Mitarbeitern halten wir für mindestens so wichtig, wie eine gute Geschichte.
Ich bedanke mich für das Gespräch.
Die Fragen stellte Nicolas Haaf.
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