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Es geht doch in dem Gespräch nicht darum, dass der Autor böse Briefe bekommt oder man es ihm krumm nimmt, weil er wohlmöglich rechtes Denken in einem Hörspiel nutzt (macht er laut unserer Sicht ja nicht, zumal ich ihn im "Aztekenschwert" wie gesagt eher als Schulhofrabauken sehe), sondern um die Aussage "Verzieh dich zurück nach Mexiko", die damals zumindest im Ruhrgebiet (wird auch thematisiert) und auch für Perry nachvollziehbar eben nicht in dem ausländerfeindlichen Ausmaß betrachtet wurde, wie es heute der Fall wäre. Darauf zielt die Aussage, "der Zeitgeist war früher ein anderer" und "früher war es (Anm.: so eine Beleidigung) relativ normal" ab. Heute würden, aus den von Perry genannten Gründen, Leute auf die Barrikaden gehen, meiner Meinung auch zurecht, wenn in Hörspielen, die in diesem Fall an Kinder bis 14 Jahren gerichtet sind, das Thema Rassismus/Ausländerfeindlichkeit mit solchen Beleidigungen bzw. stellenweise überhaupt thematisiert wird, weil die Gesellschaft bei diesem vielschichtigem Thema bzw. in diesem Fall bei solchen Aussagen wie "geh dahin wo du hergekommen bist" wesentlich sensibler geworden ist. Genau deshalb gibt es ja die von dir angesprochenen Artikel über alte Kinderhörspiele. Leider vergessen die Leute dabei den zeitlichen Kontext in der das Werk entstanden ist. Wie gesagt, das meinte ich mit "der Zeitgeist war früher ein anderer". Es heißt nicht, früher waren alle Rassisten, zumal ich mir als 81er Jahrgang ja dann selbst ins Knie schießen würde, sondern dass solche Ausdrücke früher nicht in dem Ausmaß gesehen wurden, wie heute. Ein Shitstorm würde bei einer heutigen Produktion meiner Meinung nach nicht aufkommen, weil man dem Autor rechte Neigungen unterstellt, man Autor und lyrisches Ich vermischt oder dergleichen, sondern schlicht durch die Ansicht der heutigen Zeit, dass solche Themen/Beleidigungen für Kinder noch nichts sind, weil sie es je nach Alter, Entwicklung und Interessen mitunter nicht verstehen/verstehen können oder die Beleidigung wissentlich oder unwissentlich in ihren Sprachgebrauch aufnehmen könnten (ähnliche Diskussionen gibt es ja in weitreichenderer Form auch permanent in der deutschen Musik Szene). Es gibt 14 jährige mit denen kannst du dich über das politische Weltgeschehen unterhalten, andere können dir nicht sagen wer aktuell Bundeskanzler ist, aber rattern dir die Spielerwerte von FIFA runter (nein, nicht alle FIFA Spieler sind politisch desinteressiert). An wen adressieren dann die Eltern ihre Nachrichten, was solch ein Thema/eine Beleidigung in einem Hörspiel dieser Zielgruppe zu suchen hat? Da sitzt hoffentlich keine Mutter und schreibt "Sehr geehrter Skinny Norris, ich finde Ihre Äußerungen scheiße, du Nazi", wobei ich das durch so manches RTL Format schon durchaus im Rahmen des Möglichen sehe, sondern das geht an Verlag und/oder Autor mit dem Hinweis, dass dieses Thema bzw. die Ausdrucksweise nicht kindertauglich ist. Ähnliches Beispiel an anderer Stelle: Das N-Wort wurde vor gut einem Jahr aus der deutschen Synchronisation von "Kevin-Allein in New York" geschnitten. Hat 1992 soweit ich weiß, niemanden interessiert (man mag mich gerne verbessern, ich war damals 11), benutzt du das Wort heute in einem 2022 produziertem Familienfilm, gibt es dafür auf die Fresse, auch zurecht. Nicht, weil der Produzent ein Rassist ist, sondern weil es in dieser Form nichts in einem Familienfilm zu suchen hat. Alles was man früher durfte/gemacht hat, muss heute nicht zwingend richtig sein, man darf aus heutiger Sicht aber auch nicht vergessen in welchem zeitlichen Kontext das Werk entstanden ist. Davon ab, auch bei aktuellen Filmen für Erwachsene muss ich es persönlich nicht haben, wenn dauernd jemand in einem "normalen" Film über die Leinwand rennt und jeden aus Spaß als N**** oder dergleichen betitelt. Als Stilmittel um den zeitlichen Kontext darzustellen und/oder Personen zu zeichnen, kein Ding, siehe Django Unchained, aber bei einem aktuell handelsüblichen Avengers Film wäre es für mich persönlich deplatziert. Da bin ich dann einfach nicht die Zielgruppe für, würde aber auch nie auf die Idee kommen, dem Drehbuchschreiber eine Gesinnung zuzuschreiben. Wie gesagt, last try, mehr kann ich nun wirklich nicht zu Erläuterung beisteuern. 2105) Boomtown © schrieb am 26.04.2022 um 01:17:40: @2099 "Im Aztekenschwert haben wir gesagt, dass Skinnys Aussage (...) heute so in KINDER/JUGEND-Hörspielen sicher nicht mehr vorkommen wird, weil es dann bestimmt einen Shitstorm gibt, der Zeitgeist damals jedoch ein anderer war... Das stimmt ja so nicht. Ihr sagt, dass solche Aussagen heute zu Recht (sic) ziemlich krumm genommen werden würden und der Autor dafür ein paar böse Nachrichten bekäme, aber damals sei das halt so gewesen. Damit suggeriert ihr unverhohlen, William Arden würde hier rassistisches Ressentiments via Kinderbuch bedienen, anstatt die Figur des Skinny als Antagonisten zu kontextualisieren, was dann ein gänzlich anderes Bild ergeben hätte. Wer das "Aztekenschwert" nicht kennt aber eure Analyse hört, nimmt mit, dass bei DDF früher rassistische Parolen rausposaunt wurden. Ob ihr das nun bewusst falsch verstanden oder nicht kapiert habt, das ist schlicht dieselbe Desinformation und Diskreditierung wie wir sie neulich bei dem TKKG-Artikel angesprochen haben. Mal ganz abgesehen davon ist es mir schleierhaft, wie man das Narrativ der verfeindeten Bevölkerungsgruppen in den USA als ein schräges Phänomen von früher irgendwann mal abtun kann. In Zeiten, in denen dort schwarze und weiße Milizen aufmarschieren, westliche Gesellschaften gespaltener sind den je, ist das Thema heute vermutlich brisanter als damals. Warum also sollte das heute nicht in einem Jugendhörspiel gestreift werden? Sorry, aber das macht alles von vorne bis hinten keinen Sinn. 2104) Mr. Murphy © schrieb am 25.04.2022 um 21:18:59: Bobcast: Inzwischen habe ich auch die Bobcast-Folgen 4 (Katze) und 5 (Rubin) angehört. Auch diese Folgen haben mir sehr gut gefallen. Ich habe nicht viel neues erfahren, aber es hat trotzdem Freude gemacht dem Podcast zu lauschen. In Folge 5 gibt es ein Interview mit André Marx. 2103) Mihai Eftimin © schrieb am 25.04.2022 um 19:39:55: Joa, ich wollte auf der Thematik jetzt auch nicht ewig herumreiten. Offenbar bestand hier ein Missverständnis; die Kritik an den im Podcast gemachten Aussagen war glaub ich gar nicht inhaltlich gegen die Aussagen gerichtet, sondern eher gegen genau die Zustände, die diese beschreiben. Viele hier, mich eingeschlossen, stört eben die heutige Kultur des Shitstorms bzw. der vorauseilende Gehorsam, mit dem man aus Angst vor möglichen Shitstorms (muss nicht mal nur im Internet passieren, siehe Dannys Geschichte) etwas gar nicht erst wagen "darf". Da zu dem Thema genug sagt wurde, hier nochmal mein Mantra, das ich an solchen Stellen immer bringe: Wenn man stetig versucht es allen recht zu machen, macht man es im Endeffekt niemandem recht. ![]() @Wilbur: Den Vergleich mit auf Städte und Stadtteile bezogenen persönlichen Beleidigungen unter Kindern im Ruhrgebiet kann ich gut nachvollziehen; ich komme aus dem ländlichen Westfalen und bin im (bei uns allgemein eigentlich als absolute Tabuzone betrachteten) Nachbardorf in die Grundschule gegangen - ist in etwa das gleiche Prinzip. :D Was Beleidigungen abseits von geographischen Hintergründen anging, herrschte bei uns allerdings, vorsichtig gesagt, auch schon ein sehr rauer Ton (da sind wir wieder bei den >10 Jahren Unterschied, die einiges ausmachen können) ... Ich finde beide Lesarten, sowohl von dir, als auch von Perry interessant und kann beide nachvollziehen. Skinny wählt bei seinen Beleidigungen immer ein Merkmal, das er gerade als Angriffsfläche für sich sieht, sei es Justus' Figur, Peters Ängstlichkeit oder eben Diegos ethnischer Hintergrund. Wieviel Ausländerfeindlichkeit (als generelle Empfindung, nicht als Ideologie) wirklich dahintersteckt, kann man so oder so sehen, aber unmittelbar danach sowie am Ende durch die Konsequenzen ergibt sich das auch für Kinder verständliche und definitiv exakt so beabsichtigte moralische Korrektiv. Natürlich kann man die Message sowohl als "Ausländer sind genauso Menschen wie du auch und daher meist ganz gute Leute", als auch als "einfach kein Arschloch sein, dann hat man's im Leben leichter und landet z.B. nicht auf der Militärschule" deuten. Gerade die Tatsache, dass es hier mehr als eine mögliche Deutungsebene gibt, zeigt doch, dass das hier so einfach gut gelöst ist, und die Botschaft auch ohne übertriebenen moralischen Zeigefinger oder gar Utopien herüberkommt. 2102) PerryClifton © schrieb am 25.04.2022 um 18:46:59: Also deine Lesart mit dem provozierenden Schulhof-Bösewicht halte ich auch für vollkommen gerechtfertigt. Selbst wenn man meiner Interpretation folgt, steckt das von dir genannte definitv mit in der Figur drin. Die Sache mit der Ausländerfeindlichkeit sehe ich auch vollkommen im Kontext der damaligen Zeit, also nicht so, wie es heute betrachtet würde. Insofern ähneln sich unsere Sichtweisen doch sehr. Die Schulhof-Rowdys und ihre Methoden aus der Zeit kenne ich noch sehr gut, das war so, wie von dir beschrieben. Die Sache mit der Ausländerfeindlichkeit war damals auch Thema, aber dann mehr im Schulunterricht oder durch Lehrer, die anderen ins Gewissen geredet haben. (Also die erziehenden Spießer, auf die man als Kind sowieso nie gehört hat *g*) Auf dem Schulhof gab es dann die harte Realität zu den utopischen Moralpredigten. Vielleicht habe ich die Geschichte auch deswegen gemocht, weil sie sehr realistisch mit der Sache umgeht und trotzdem eine gute Botschaft zu vermitteln hatte. Heute würde der Realismus wegfallen und die Botschaft wohl nur noch ein unwahres Dogma sein. Was damals fehlte, war das "überwachende Auge der Öffentlichkeit" vor dessen Pranger und Richtstuhl alles gezerrt wurde. Heute malt ein bekiffter Jugendlicher ein falsches Symbol bei seinem Schulkameraden ins Heft und anschließend muss sich die Schule beim Bundesland und der deutschen Regierung in allen Medien entschuldigen, damit die Nachbarländer kein schlechtes Bild mehr von uns haben. Fast schon globale Konsequenzen. Okay, ich schweife ab ![]() 2101) Wilbur Graham © schrieb am 25.04.2022 um 17:59:50: Perry, das sind Beiträge mit denen man gerne arbeitet ;) Man kann die Szene auf verschiedenste Sichtweisen sehen, habe ich in deiner Formulierung und Argumentation auch überhaupt kein Problem mit und ist für mich auch absolut nachvollziehbar. Wie gesagt, für mich als damals 11jähriger war es eher so, Skinny mag Diego nicht, zumal er ein Freund der drei ??? ist, also haut er so eine asoziale Beleidigung raus. Generell war halt diese, ich nenne es mal ganz plump Redensart, "geh dahin wo du herkommst", früher gebräuchlicher. (jetzt muss ich aufpassen mich mit solchen Aussagen nicht in die Nesseln zu setzen). Ich meine, Jonas erwähnt es auch in der Folge, im Pott war es nicht nur explizit aufs Herkunftsland bezogen, sondern galt bei uns auch für Stadtviertel etc. Gerade beim Straßenfußball gab es solche Äußerungen öfter und hinterher hat man trotzdem zusammengesessen und ne Cola getrunken, weil man es ohne Hintergrund rausgehauen hat. Heute schmeißen die Blagen mit dem H Wort um sich, wo ich jedes Mal die Krise bekomme. Skinny ist allen Menschen, die er nicht mag, herablassend gegenüber, und nutzt dabei ihre auffälligsten Merkmale, sei es Herkunft, Körperbau, Kleidung etc. Er haut es für mich einfach so raus wie es ihm gerade großmäulig in den Kram passt, und halt nicht nur Ausländern gegenüber, und kassiert jedes Mal die Quittung. Daher sehe ich ihn nicht zwingend als ausländerfeindlich, sondern schlicht als provokantes Arschloch. Wie gesagt, ich kann deine geschilderte Sicht der Dinge absolut nachvollziehen. Die Konsequenzen für Skinny im Aztekenschwert gehen ja im Hörspiel leider eher unter. Hätte man die Konsequenzen aus dem Buch übernommen, wäre der Fingerzeig für den Hörer wahrscheinlich deutlich größer gewesen. Im Hörspiel kommt Skinny ja fast heil aus der Nummer raus, denn Hitchcocks Fazit lautet: "Für Cody und die drei Cowboys aber kamen böse Zeiten", von Skinny, der im Buch sogar noch mehr Dreck am stecken hat, keine Spur. Dass die Alvaros ihr Land behalten dürfen, dürfte für Skinny selbst in letzter Konsequenz nicht die große Bestrafung sein. Mit deinen weiteren Ausführungen bzgl. des aufkommenden Shitstorms geh ich mit dir konform, da würd ich jetzt nur fast alles wiederholen. 2100) PerryClifton © schrieb am 25.04.2022 um 17:18:01: Also für mich ist die Sache gegessen ![]() Jetzt unabhängig von irgendwelchen Anschuldigungen, nur mal meine persönliche Meinung zu der betreffenden Szene: In Anbetracht des erhobenen Zeigefingers, der in damaligen Kinder- und Jugendgeschichten Usus war, denke ich schon, dass die Stelle absichtlich genauso gedacht war. Also, dass Skinny ausländerfeindlich rüberkommen sollte; gleich darauf werden er und auch der Leser belehrt, dass die Mexikaner eigentlich ganz gute Typen sind, weil Diego Skinny trotzdem rettet. Skinny ist aber nicht geläutert und muss zum Schluss die Konsequenzen tragen, was die jungen Leser sicherlich mitbekommen sollen. Es könnte sich hier sogar um den deutlichsten erhobenen Zeigefinger der Klassiker handeln, wenn ich gerade mal so drüber nachdenke. Ob man sowas will oder braucht, ist eine andere Frage. Mich stört es hier nicht, aber die Belehrung ist von der Deutlichkeit her hart an der Grenze zur Übertreibung; soll heißen, gut, dass sie es nicht zu oft so gemacht haben. (Inhaltlich stimme ich der Belehrung übrigens zu; nur war DDF normalerweise aufgrund anderer Dinge gut). Eine Differenzierung (die heute fast schon nicht mehr erlaubt ist!) muss man machen: Es ging um Ausländerfeindlichkeit, nicht gleich um Rassismus. (Nein, Twitter, das ist nicht dasselbe). Skinny hat sie wegen ihres Zugereistenstatus diskriminiert, nicht wegen ihres Aussehens etc. Also durchaus in gewisser Weise "asozial" (wie es das Anzünden einer Ranch ja auch ist), aber nicht gleich ideologisch/rassistisch. Wie gesagt, das stößt heute auf taube Ohren, aber wenn man diese Differenzierungen anwenden würde, wäre heute manches wesentlich weniger abgehoben bzw. eskaliert... dann könnte der Normalbürger auch noch sein Zigeunerschnitzel essen, ohne dafür (im Netz) quasi angespuckt zu werden. Und da sind wir beim heutigen Problem: Ja, so eine Stelle würde heute einen Shitstorm auslösen. Und zwar vollkommen ungerechtfertigt. Denn das Ziel ist genau das Gegenteil, nämlich Kinder über Vorurteile gegenüber Ausländern nachdenken zu lassen. Exakt deswegen hielte ich sowas heute für geradezu perfekt als Behandlung des (zeitgeistaktuellen) Themas in Kinderbüchern. Was wir aber heute machen ist, alles rauszustreichen, Scheuklappen aufzusetzen und Zensur zu rufen, damit die Kiddies ja nicht mit den "falschen" Sachen konfrontiert werden. Wie gesagt, ich bin jetzt nicht der Freund von moralischen Zeigefingern, aber ein bisschen mehr von solchen Umsetzungen gepaart mit einer großen Portion Ehrlichkeit hielte ich für wesentlich besser als die aktuelle Masche. (Was heute so aussieht, als wäre es das Obige, ist übrigens häufig "positive" Diskriminierung, also jemanden nicht wegen seiner Herkunft herabwürdigen, sondern völlig überhöhen und Kritik jeglicher Art zu verbieten; damit erreicht man im Endeffekt das Gleiche bzw. meint das Gleiche: Diese Person steht abseits). So, und wer Aztekenschwert als Kassette im Regal stehen hat, kann einfach kein schlechter Mensch sein *g* 2099) Wilbur Graham © schrieb am 25.04.2022 um 16:27:09: Ich fass mal kurz zusammen: Im Aztekenschwert haben wir gesagt, dass Skinnys Aussage "Du gibst dich neuerdings mit mexikanischen Zugereisten ab, Dicker! Das sieht dir ähnlich. Sorg lieber dafür, dass er wieder nach Mexiko abhaut!" heute so in KINDER/JUGEND-Hörspielen sicher nicht mehr vorkommen wird, weil es dann bestimmt einen Shitstorm gibt, der Zeitgeist damals jedoch ein anderer war und es eine asoziale Beleidigung war ohne die Figur in Richtung ausländerfeindlich positionieren zu wollen. Zumal mir der Gedanke beim ersten Hören, als damals wahrscheinlich 11 jähriger, bzgl. Rassismus gar nicht kam, weil es für mich überhaupt kein Thema war. Das ist auch einer der Gesichtspunkte unter dem ich ganz besonders die alten Folgen gerne noch sehe, sonst müsste ich jeden einen Rassisten nennen, der zur damaligen Zeit das Wort "Zigeuner" genutzt hat, und Justus Jonas wäre wohl ihr Anführer, der auf Benjamin Blümchen in die nächste Schlacht reitet. Dem entsprechend habe ich dann auch die Aussage getroffen, dass Skinny das Ausmaß seiner Beleidigung für Diego gar nicht wirklich bewusst war, da er diese mit den Worten "wenn dir das so wichtig ist, dann nehm ich's eben wieder zurück" mal eben so wieder zurücknimmt. Ich glaube nicht, dass sich die Sichtweise Skinnys jetzt plötzlich geändert hat, man mag ihm jedoch entgegenbringen er hat seine Beleidigung zurückgenommen um auf einfachstem Wege der Konfrontation zu entkommen. Ich nehme Skinnys Entschuldigung in dieser Situation nach dem Beinahe Unfall (und teils dem Druck der Umherstehenden) jedoch ernst. Ich sehe Skinny nicht als ausländerfeindlich, sondern viel mehr als damals gängigen großmäuligen Schulhof-Bösewicht, der immer wieder über das Ziel hinausschießt, im Buch "Aztekenschwert" ganz besonders. In einem erwachsenen Hörspiel/Film etc. geh ich gerne konform mit der Aussage, dass ein Antagonist solch eine Beleidigung als rassistische Äußerung hernehmen darf um seinen Charakter klar und deutlich darzustellen. Wie hier der ein oder andere darauf kommt, dass wir Figur und Autor gleichstellen, hui, so viel Phantasie liegt mir dann doch fern. Bei einer solchen Denkweise dürften Filme wie "Schindlers Liste" oder "JoJo Rabbit" allein zum Wohle des Autors gar nicht gezeigt werden, was durchaus schade wäre. Außerdem müsste man Stephen King ja dann sicherheitshalber auch wegsperren, wenn der gleich seiner Figuren ist. Ich ruf mal eben kurz beim FBI an, vielleicht krieg ich ja dann auch eine Ehrenauszeichnung oder zumindest eine Karte, die mich als Junior-Assistenten auszeichnet ;) Perry, nur für dich, in meinem Nerd Regal stehen lediglich zwei Kassetten für jeden direkt erkennbar, neben dem "Heimlichen Hehler" halt auch das von mir geliebte "Aztekenschwert", denn neben den für mich grandiosen Covern sind es auch 2 meiner Lieblingsfolgen ;) Boomtowns Äußerungen überlese ich mal gezielt. Ich diskutiere ja gerne und es gab ja hier wirklich viele produktive Konversationen, nur den Eindruck möchte ich mir durch so ein Niveau jetzt selbst nicht madig machen. Ich hab ja durchaus auch Spaß daran, wenn man unterschiedlicher Meinung ist, sich was an den Kopf wirft und am Ende vielleicht sogar auf einen Nenner kommt, nur ich bin dann eher Fan von klare Kante, aber mit Respekt und Anstand. Ich hab ja kein Problem damit, wenn jemand meine Meinung Scheiße findet, ich geh ja selbst auch nicht jede Meinung mit. Ich bin garantiert auch kein Kind von Traurigkeit, aber ne, sorry, so wirklich nicht :D 2098) PerryClifton © schrieb am 25.04.2022 um 16:16:19: @Ola Hinzu kommt, dass man gar nicht erst mit dem Schreiben anfangen sollte, wenn man alles umschiffen will, was möglicherweise irgendwie anecken könnte. Es sei denn, man braucht noch Lesestoff für den Wartebereich des örtlichen Seniorenfriseurs ![]() Kurzer Exkurs: Der neue Bobcast ist wieder sehr schön. Mir gefällt es, wie auf die Hintergründe der Sprecher eingegangen wird. Die Beurmann-Anekdote war auch krass, das schöne Clavichord! *g* So, das soll jetzt nicht gegen Beurmann gehen, aber ich muss sagen, Karl-Ulrich Meves als Onkel Titus... das wäre für mich die Idealbesetzung gewesen. Beurmann ist einfach kein Schauspieler. Auch wenn er vom Typ her gut zur Rolle passte. Und Jens beim nächsten mal mit dabei? Klasse. Yup, der Podcast ist wirklich ein voller Erfolg bisher, trotz manchmal kurzer Spielzeit. 2097) Professor Carswell © schrieb am 25.04.2022 um 12:27:12: Das vermeintliche Dilemma, dass einige einen Zusammenhang zwischen Geburtsjahrgängen und der Art der Medienrezeption bzw. im Umgang der Medieninterpretation sehen und andere nicht lässt sich dadurch auflösen indem man weitere Kriterien berücksichtigt wie z. B. Bildung etc. Ganz grundsätzlich lässt sich vielleicht sagen je mehr eigene Person zum eigenständigen und dennoch reflektierten Denken neigt desto weniger spielt der Geburtsjahrgang eine Rolle und im umgekehrten Fall kann über den Geburtsjahrgang eine grobe Einschätzung zu deren Medienbetrachtung herausgelesen werden und es natürlich graduelle Unschärfen gib. Es gib zweifelsohne auch eine (variable) Altersuntergrenze, da Lebenserfahrung auch eine Rolle spielt. 2096) Ola-Nordmann © schrieb am 25.04.2022 um 09:32:37: Das was Perry in seinem letzten Satz schreibt, kann durchaus sein. Vor allem das Schreiben muss heute ja extrem schwierig sein, wenn man sämtlichen - ob real oder nur vermeintlich gesamtgesellschaftlichen - Shitstormen ausweichen will. An der Generation kann es wirklich nicht nur liegen (ich kann als Kind der 80er Perry und Mihai, der ja noch ein Jahrzehnt später kam, bestätigen). 2095) PerryClifton © schrieb am 25.04.2022 um 07:33:50: Die 80er Jahrgänge... großes Fass ;-) Ich glaube, die gesellschaftliche und bildungstechnische Diskussion machen wir hier besser nicht auf *g* Nur zur medialen Seite: Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass wir in den 80ern in einer Art Schlaraffenland für Filme, Bücher, Hörspiele, Musik etc. aufgewachsen sind und daher dachten, das wäre normal und würde immer so bleiben... (Wer heute das rein quantitative Angebot betrachtet und nur der Modernität als solcher anhängt, wird natürlich zu anderen Schlüssen kommen... egal, anderes Thema). Zu den Generationen sagte ich ja auch schonmal etwas. Thomas ist ein Jahr älter als ich, Jonas sechs Jahre jünger (über den Daumen gepeilt). Ich würde schon sagen, dass ich was mit literarischer Analyse anfangen kann ;-) Also Alter und Geburtsjahrzehnt ist imo nicht das Kriterium. Allgemeine Aussagen über Generationen kann man natürlich treffen, aber die die sind dann eben auch nur allgemein. Und so gewisse "Dullies" (bezogen auf Dannys Beispiel) gab es defintiv auh in den 70ern schon. Man könnte sogar sagen, dass da die Wurzeln liegen. Davon abgesehen, ja, grundsätzlich zu verstehen, was eine Geschichte ist und was ein Sachtext wäre wünschenswert. Lyrisches Ich und Autor-Ich sind nicht dasselbe und Figuren-Ich (bzw. Er/Sie) erst recht nicht. Und da sind wir beim Zusammenhang mit obigem: Vielleicht hat man früher beim Geschichten-Erzählen und -Lesen mehr Spaß gehabt, weil man eben viel freier herangehen konnte und solche Versachlichungen, ideologischen Analysen und PC-Tauglichkeitsprüfungen einer kleinen Gruppe, über die man meist ungläubig den Kopf geschüttelt hat, vorbehalten waren, anstatt zum gesamtgesallschaftlich dominierenden Einheitsbetrachtungszwang zu werden... 2094) Mihai Eftimin © schrieb am 24.04.2022 um 23:08:49: Als jemand, der in den 90ern geboren wurde, finde ich das auch reichlich seltsam ... mir wurde in der Schule von mehreren Deutschlehrern (wiederum alle zwischen 1945 und 1970 geboren) eingetrichtert, gefälligst zwischen Lyrischem Ich, der Sichtweise der Figuren und der des Autors zu unterscheiden, und das fand ich von Anfang an naheliegend. Und schon für diese Jahrgänge war es längst keine neue Erkenntnis mehr, dass diese Unterscheidung sinnvoll ist. Dennoch höre ich Geschichten wie die von Danny, die schon lange genug zurückliegen, um in meine Schulzeit zu fallen, und die mir trotzdem "neu" genug sind, um bei mir massives Unbehagen hervorzurufen. Sollte ich wirklich einer der letzten sein, denen die grundlegende Fähigkeit zur literarischen Analyse vermittelt worden ist ...? 2093) Boomtown © schrieb am 24.04.2022 um 22:19:33: Bei so wenig Medienkompetenz bei relativ jungen Menschen im Digitalzeitalter kann einem Angst und Bange werden. Neulich bei Twitter wollte jemand Campino als Pädophilen brandmarken, aufgrund des Toten Hosen Songs "Hot Clip Video Club". Die Unterscheidung von Lyrischem Ich und Autor scheint einigen tatsächlich zu hoch zu sein. Aber wie diese beiden Dödel im Podcast auch noch lang und breit versuchen das mit völlig unsinnigen "Argumenten" zu untermauern, macht einen wirklich fassungslos. Klar, 1981 waren alle Rassisten und Arden hätte dafür einen Shitstorn verdient. Dass Arden genau das Gegenteil von dem beschreibt, was die sich da zusammenphantasieren, kommt denen gar nicht in den Sinn. Wenn die nicht mal eine DDF-Folge raffen, was dann? Und komischerweise kommt sowas sehr oft von 80er-Jahrgängen, also Leuten, die nur geringfügig jünger sind als ich. Was ist da schiefgelaufen? 2092) Danny Street © schrieb am 24.04.2022 um 20:16:03: Ich hatte vor ca. 15 Jahren ein Erweckungserlebnis dieser negativen Art. Da sah ich hier im Bürgerfernsehen zufällig eine Aufnahme von jungen Frauen, die sich dabei filmten, wie sie im Foyer eines Berliner Theaters einen Regisseur "stellten" und in aggressivster Weise angingen, der zu der Zeit dort ein Stück inszenierte, in dem es um Rassismus ging und dementsprechend natürlich auch ein Nazi/Rassist vorkam, der - oh Wunder - dann auch Nazi/Rassisten-Sachen sagte. Das war der Grund für die Aufruhr. Ich dachte erstmal, ICH verstehe da etwas nicht, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, daß jemand so bunkerbrechend dämlich sein kann. Aber die meinten das tatsächlich ernst. Der Regisseur musste mit Engelszungen auf den Mob einreden und ihm erklären, wie das gemeint ist. Irgendwann sah ich dann mal wieder die Simpsons. Die Episode mit Barts Kometen, der auf Springfield zurast, aber im letzten Moment verglüht und alles gut geht. In der Schlußszene sieht man die erleichterten Bewohner von Springfield, und irgendjemand ruft aus der Menge: "Los! Lasst uns das Observatorium abbrennen, damit sowas nie wieder passiert!" Oh! Heute Nacht kommt ja ein neuer Bobcast. Wie schön. ![]() | |||||||||
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